Igel und Agel

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Igel und Agel 


Ein Igel saß auf einem Stein
und blies auf einem Stachel sein
      schalmeiala, schalmeialü!
    Da kam sein Feinslieb Agel
    und tat ihm schnigel schnagel
zu seinen Melodein.
        Schnigula schnagula
          schnaguleia lü!
  Das Tier verblies sein Flötenhemd...
»Wie siehst Du aus so furchtbar fremd!?«
      Schalmeiala, schalmeialü -- .
    Feins Agel ging zum Nachbar, ach!
    Den Igel aber hat der Bach
zum Weiher fortgeschwemmt.
        Wigula wagula
        waguleia wü
            tü tü .




Christian Morgenstern, aus der Sammlung "Galgenlieder"




Gemälde copyright: Isabella Kramer

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Am fließenden Wasser

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Ein Fischlein steht am kühlen Grund,
Durchsichtig fließen die Wogen,
Und senkrecht ob ihm hat sein Rund
Ein schwebender Falk gezogen.

Der ist so lerchenklein zu sehn
Zuhöchst im Himmelsdome;
Er sieht das Fischlein ruhig stehn,
Glänzend im tiefen Strome!

Und dieses auch hinwieder sieht
Ins Blaue durch seine Welle.
Ich glaube gar, das Sehnen zieht
Eins an des andern Stelle!




Gottfried Keller, 1819 - 1890










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Baum im Herbst

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Baum im Herbst


Was habt ihr plumpen Tölpel mich gerüttelt,
als ich in seliger Blindheit stand!
Nie hat ein Schreck grausamer mich geschüttelt,
– mein Traum, mein goldner Traum entschwand.

Nashörner ihr mit Elephanten-Rüsseln,
macht man nicht höflich erst: Klopf! Klopf!
Vor Schrecken warf ich euch die Schüsseln
goldreifer Früchte – an den Kopf.





Friedrich Wilhelm Nietzsche












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Ein W-Gedicht

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Ein W-Gedicht 


Wenn Waale wählen würden,

Wären Weltenmeere walfangfrei,

Walrösser winzige Wichte und 

Wahrscheinlich wäre die Welt

Ein warmes Wellental.






veredit©isabella.kramer 23.09.08




 ABC Reihe für Kinder 


Fotographie: wikipedia commons



Enthalten in dem Gedichtband Kinder-Gedichte-Welt. Einige wenige Exemplare (Softcover oder das hochwertige Hardcover) sind über mich persönlich erhältlich oder via Blurb.de bestellbar

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Kinder-Gedichte-Welt
Kinder-Gedicht...
Von Isabella Kramer
Photo book






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Nis Randers




Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht man's gut.
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich's der Abgrund.

Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen."

Da fasst ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein!
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will's, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!"

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
"Und seine Mutter?"

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muss es zerschmettern ...! Nein, es blieb ganz! ...
Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des anderen springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
Sie sind es! Sie kommen!

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt ...
Still – ruft da nicht einer? – Er schreit's durch die Hand:
"Sagt Mutter, 's ist Uwe!"






Otto Ernst


Gemälde von wiki commons: Ivan Constantinovich Aivazovsky, 1875



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Gingko Biloba

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Dieses Baumes Blatt der vom Osten
Meinem Garten anvertraut
Gibt geheimen Sinn zu kosten
Wie's den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei die sich erlesen
Daß man sie als eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern
Daß ich eins und doppelt bin?






Johann Wolfgang von Goethe





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Storch und Spatz

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Es hat der Storch ein Nest gebaut
Und als er froh umher nun schaut
Hoch über allen Häusern
Da sitzt vor ihm ein kleiner Spatz
Und bittet um ein wenig Platz
Zum Nisten in den Reisern.

Da spricht der Storch: Mein Nest ist groß
Du bist ein kleines Vöglein bloß
Ich tu dir nichts zuleide
Du bist in gutem Schutz bei mir
Kein Mietgeld nehme ich von dir
´s Platz da für uns beide.

Das Spätzlein dankt und baut sich an
Der Storch hat ihm kein Leid getan
Und hat ihn nicht verstoßen
Sie wohnten beide lange Zeit
In Frieden und in Ewigkeit
Der Kleine bei dem Großen



Karl Enslin




Foto mit freundlicher Genehmigung: BrigitteLorenzPhotography



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