Die Traubenhyazinthe

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Die Traubenhyazinthe 

Angenehmes Frühlingskindchen, 
Kleines Traubenhyazinthchen, 
Deiner Farb und Bildung Zier 
Zeiget mit Verwundrung mir 
Von der bildenden Natur 
Eine neue Schönheitsspur. 

An des Stengels blauer Spitzen 
Sieht man, wenn man billig sieht, 
Deiner sonderbaren Blüt 
Kleine blaue Kugeln sitzen, 
Dran, so lange sich ihr Blatt 
Noch nicht aufgeschlossen hat, 
Wie ein Purpurstern sie schmücket, 
Man nicht sonder Lust erblicket. 

Aber wie von ungefähr 
Meine Blicke hin und her 
Auf die offnen Blumen liefen, 
Konnt ich in den blauen Tiefen 
Wie aus himmelblauen Höhen 
Silberweiße Sternchen sehen, 
Die in einer blauen Nacht, 
So sie rings bedeckt, im Dunkeln 
Mit dadurch erhöhter Pracht 
Noch um desto heller funkeln. 

Ihr so zierliches Gepränge, 
Ihre Nettigkeit und Menge, 
Die die blauen Tiefen füllt, 
Schiene mir des Himmels Bild, 
Welches meine Seele rührte 
Und durch dieser Sternen Schein, 
Die so zierlich, rein und klein, 
Mich zum Herrn der Sterne führte, 

Dessen unumschränkte Macht 
Aller Himmel tiefe Meere, 
Aller Welt- und Sonnen Heere 
Durch ein Wort hervorgebracht; 
Dem es ja so leicht, die Pracht 
In den himmlischen Gefilden 
Als die Sternchen hier zu bilden. 

Durch dein sternenförmig Wesen 
Gibst du mir, beliebte Blume, 
Ein' Erinnerung zu lesen, 
Daß wir seiner nicht vergessen, 
Sondern in den schönen Werken 
Seine Gegenwart bemerken, 
Seine weise Macht ermessen 
Und sie wie in jenen Höhen 
So auf Erden auch zu sehen.



Barthold Hinrich Brockes, 1680 - 1747




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