Gewitter

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Gewitter

Die Tanne stöhnt und ächzt im Sturm,
Die starken Äste krachen,
Der Regen strömt, unheimlich schallt
Der Schrei der Eule durch den Wald
Wie wildes, schrilles Lachen.

Die Wolken ziehen grau und schwer,
Die grellen Blitze flammen,
Der Donner kracht, – dumpf rollt es nach –
Als bräche jäh beim nächsten Schlag
Die ganze Welt zusammen!

Doch wilder ist als Sturm und Wind
Mein sehnendes Verlangen!
Jäh, wie der Blitz die Nacht zerreißt,
Erscheint mein Glück vor meinem Geist,
Das gar zu schnell vergangen.

Und wenn der Wetterstrahl erlischt,
Scheint tiefer noch das Düster. –
Dein Nachglanz, Du verlor'nes Glück,
Enthüllt die Zukunft meinem Blick
Nur grauser noch und wüster!



Melanie Ebhardt, 1879 - 1919







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Die blaue Hortensie

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Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rau,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau.

Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuern
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.


Rainer Maria Rilke, 1875 - 1926



Gemälde copyright: Isabella Kramer 


Bitte beachten Sie das Urheberrecht: Copyright Texte, Fotos und Graphiken = Isabella Kramer, veredit - wenn nicht anders erwähnt. Auch für private Homepages dürfen diese Texte, Fotos und Graphiken nicht ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis verwendet werden! Wenn Sie meine Gedichte oder Bilder verwenden wollen, fragen sie mich bitte. 
Kontakt über email: vere_dit@yahoo.de

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Waldgefühle

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Waldgefühle


federnde Schritte
auf moosigen Pfaden
sandklare Bäche
murmeln in Moll

Säulenriesen warten
Äonen von Jahren 
wiegende Häupter wandeln
Licht in Strahlenfinger

Goldsprenkel im Farn
Lippen voll Himbeersaft
du hast Blätter im Haar!
ein Häher warnt

tiefgrüne Augen 
mooriger Seen 
Waldstimme flüstert
Kommt wieder!


veredit©Isabella.Kramer2008









Enthalten in dem neuen Gedichtband Kinder-Gedichte-Welt erhältlich von Blurb.de 

Kinder-Gedichte-Welt
Kinder-Gedicht...
Von Isabella Kramer
Photo book


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Photo copyright: Isabella Kramer
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Schwebende Zukunft

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Schwebende Zukunft

Habt ihr einen Kummer in der Brust
Anfang August,
Seht euch einmal bewußt
An, was wir als Kinder übersahn.

Da schickt der Löwenzahn
Seinen Samen fort in die Luft.
Der ist so leicht wie Duft
Und sinnreich rund umgeben
Von Faserstrahlen, zart wie Spinneweben.

Und er reist hoch über euer Dach,
Von Winden, schon vom Hauch gepustet.
Wenn einer von euch hustet,
Wirkt das auf ihn wie Krach,
Und er entweicht.

Luftglücklich leicht.
Wird sich sanft wo in Erde betten.
Und im Nächstjahr stehn
Dort die fetten, goldigen Rosetten,
Kuhblumen, die wir als Kind übersehn.

Zartheit und Freimut lenken
Wieder später deren Samen Fahrt.
Flöge doch unser aller Zukunftsdenken
So frei aus und so zart.



Joachim Ringelnatz, 1883 - 1934



Photo copyright: Isabella Kramer
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