Herbsttag

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Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.







Rainer Maria Rilke, 1875 - 1926


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Mit einer Handlaterne

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Laterne, Laterne!
Sonne, Mond und Sterne,
Die doch sonst am Himmel steh'n,
Lassen heut sich nimmer sehn.

Zwischen Wasserreih und Schloß
Ist die Finsternis so groß,
Gegen Löwen rennt man an,
Die man nicht erkennen kann!

Kleine freundliche Latern',
Sei du Sonne nun und Stern:
Sei noch oft der Lichtgenoß
Zwischen Wasserreih und Schloss
Oder - dies ist einerlei -
Zwischen Schloss und Wasserreih!




Theodor Storm, 1817 - 1888










Dieses Gedichte schickte Storm Weihnachten 1874 an die Frau des befreundeten Landrats Graf zu Reventlow in Husumer Schloss. Storm und die Landrätin hatten abgemacht, sich gegenseitig eine Handlaterne zu schenken, weil es wirklich "ein halsbrecherischer Weg" war von der Wasserreihe zum Schloss und umgekehrt. (Anmerkung Storms zu den "Löwen": "Steinerne am Portal des Schlosses")

Gemälde - Ferdinand du Puigaudeau "Bretonische Mädchen" (1864-1930)



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Herbstwald - Pantum

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Herbstwald - Pantum

Pilzduftend, grüne Räume
Waldpfade locken moosweich
herbstlichtgemalte Träume
goldblattgetupft der Moorteich

Waldpfade locken moosweich
horch, hat dort nicht ein Elf gelacht
goldblattgetupft der Moorteich
die Spinnenfrau ihr Netz bewacht

horch, hat dort nicht ein Elf gelacht?
Farnwedel tanzen träge
die Spinnenfrau ihr Netz bewacht
und Brombeerduft säumt Wege

Farnwedel tanzen träge
Pilzduftend, grüne Räume
und Brombeerduft säumt Wege
herbstlichtgemalte Träume



veredit©03.10.10








Photo copyright: Isabella Kramer


Enthalten in dem Gedichtband Kinder-Gedichte-Welt. Einige wenige Exemplare (Softcover oder das hochwertige Hardcover) sind über mich persönlich erhältlich oder via Blurb.de bestellbar

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Kinder-Gedichte-Welt
Kinder-Gedicht...
Von Isabella Kramer
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Das Efeu spricht

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Das Efeu spricht:


Mein Blüh'n wird nicht
Vom Farbenschmuck verklärt,
Bin zäh und schlicht
Und halt' mich dicht
Zum Stamm, der mich ernährt.
Doch Sommers grün
Und Winters grün
Und grün in's späte Alter,
Freut mehr denn glüh'n,
Buntfarbig sprüh'n
Und sterben mit dem Falter.




Joseph Victor von Scheffel, 1826 - 1886






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Der Herbsthund

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Der Herbsthund


Der Herbsthund, der im Walde lebt
– Aus lauter dürrem Laub sein Fell –
Er füllt, wenn Blatt um Blatt verschwebt,
Die Luft mit heiserem Gebell.

Er sitzt und kläfft die Bäume an,
Bis jeder ihm sein Laub beläßt,
Und springt in seinem irren Wahn
Von Nord nach Süd, von Ost nach West.

Der Herbsthund, der im Walde wohnt,
Er heult oft fort die ganze Nacht,
Indeß sein bleicher Freund, der Mond,
Durch immer kahlres Astwerk lacht.

Und wer den Herbsthund je gesehn,
Dem wird nicht wohl mehr auf der Welt:
Er muß durch welke Blätter gehn,
Bis ihm der Hund des Todes bellt.






Ludwig Scharf, 1864 - 1938




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Oktoberlied

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Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!
Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz –
Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!




Theodor Storm, 1817 - 1888





Photo copyright: Isabella Kramer

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Der Mond

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Der Mond 



Der Mond. Dies Wort so ahnungsreich,
So treffend, weil es rund und weich –
Wer wäre wohl so kaltbedächtig,
So herzlos, hart und niederträchtig,
Daß es ihm nicht, wenn er es liest,
Sanftschauernd durch die Seele fließt? –



Wilhelm Busch, 1832 - 1908












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