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Das Riesenspielzeug - Adelbert von Chamisso
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Einst kam das Riesen-Fräulein aus jener Burg hervor,
Erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor,
Und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein,
Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.
Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.
Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.
"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm ich mit nach Haus."
Sie knieet nieder, spreitet behänd ihr Tüchlein aus,
Und feget mit den Händen, was da sich alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammen schlägt;
Und eilt mit freud'gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,
Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
"Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höhn"
Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
"Was Zappeliches bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; lass sehen, was es sei."
Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.
Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
"Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht;
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin,
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!
Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot;
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!"
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand,
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Adelbert von Chamisso, 1781-1838
Bild gefunden auf wikicommons, stammt aus: Riesen-Spielzeug (pictured in Adelbert von Chamisso's book Sämtliche Werke, Bd. 1
In trauter Verborgenheit - Wilhelm Busch
.
In trauter Verborgenheit
Ade, ihr Sommertage,
Wie seid ihr so schnell enteilt,
Gar mancherlei Lust und Plage
Habt ihr uns zugeteilt.
Wohl war es ein Entzücken,
Zu wandeln im Sonnenschein,
Nur die verflixten Mücken
Mischten sich immer darein.
Und wenn wir auf Waldeswegen
Dem Sange der Vögel gelauscht,
Dann kam natürlich ein Regen
Auf uns herniedergerauscht.
Die lustigen Sänger haben
Nach Süden sich aufgemacht,
Bei Tage krächzen die Raben,
Die Käuze schreien bei Nacht.
Was ist das für Gesause!
Es stürmt bereits und schneit.
Da bleiben wir zwei zu Hause
In trauter Verborgenheit.
Wilhelm Busch, 1832 - 1908
Photo copyright: Isabella Kramer
Abendlied - Manfred Kyber
.
Der Abend kommt, der Tag ist aus,
Frau Sonne geht zur Ruh.
Sie geht wohl in ihr Wolkenhaus
und macht die Türe zu.
Dann werden alle angebrannt
die Sternlein in der Nacht.
Es halten über Meer und Land
die Engel heil’ge Wacht.
Und wenn die goldnen Sterne stehn
und scheint der Mond dazu,
dann müssen alle schlafen gehen:
die Welt und ich und du.
Und schläfst du ein und hast du kaum
die Augen zugemacht,
dann schenkt dir einen lieben Traum
die Königin der Nacht.
Manfred Kyber, (1880 - 1933)
Frau Sonne geht zur Ruh.
Sie geht wohl in ihr Wolkenhaus
und macht die Türe zu.
Dann werden alle angebrannt
die Sternlein in der Nacht.
Es halten über Meer und Land
die Engel heil’ge Wacht.
Und wenn die goldnen Sterne stehn
und scheint der Mond dazu,
dann müssen alle schlafen gehen:
die Welt und ich und du.
Und schläfst du ein und hast du kaum
die Augen zugemacht,
dann schenkt dir einen lieben Traum
die Königin der Nacht.
Manfred Kyber, (1880 - 1933)
Großes Geheimnis - Robert Reinick
.
Großes Geheimnis
Es sitzt ein Knab am Bach
und sieht den Wellen nach.
Sie sprudeln und sie rauschen.
Er denkt: "Ich muss doch lauschen,
was all die Wellen plaudern!"
Und's Knäblein ohne Zaudern,
es bückt sich zu den Quellchen,
da kommt ganz fix ein Wellchen
gesprudelt und gerauscht -
was hat es da gelauscht!
Doch kann es nichts verstehen,
und eh es sich's versehen,
bückt es sich tiefer hin -
und liegt im Wasser drin.
Zum Glücke war der Bach
ganz hell und klar und flach,
schnell sprang der Knab heraus
und sah ganz lustig aus.
Und als ich ihn gefragt,
was ihm der Bach gesagt,
sprach er nach kurzem Zaudern:
"Ihr dürft es keinem plaudern!
Ein groß' Geheimnis ist,
was er mir sagte, wisst!
Er sagte, wisst ihr, was?
Das Wasser, das macht nass!“
Robert Reinick, 1805-1852
Photo copyright: Isabella Kramer
.
Närrische Träume
Närrische Träume
Heute Nacht träumte mir,
ich hielt
den Mond in der Hand,
wie eine große, gelbe Kegelkugel,
und schob ihn ins Land,
als gält' es alle Neune.
Er warf einen Wald um,
eine alte Scheune,
zwei Kirchen mitsamt den Küstern,
o weh,
und rollte in die See.
Heute Nacht träumte mir,
ich warf
den Mond ins Meer.
Die Fische all erschraken, u
nd die Wellen
spritzten umher
und löschten alle Sterne.
Und eine Stimme, ganz aus der Ferne,
schalt: "Wer pustet mir mein Licht aus?
Jetzt ist's dunkel im Haus!"
Heute Nacht träumte mir,
es war
rabenfinster rings.
Da kam was leise auf mich zugegangen,
wie auf Zehen ging's.
Da wollt' ich mich verstecken,
stolperte über den Wald,
über die Scheune vor Schrecken,
über die Kirchen mitsamt den Küstern,
o weh,
und fiel in den See.
Heute Nacht träumte mir,
ich sei
der Mond im Meer.
Die Fische alle glotzten
nd standen
im Kreis umher.
So lag ich seit Jahren,
s
ah über mir hoch die Schiffe fahren
und dacht', wenn jetzt wer über Bord
sich biegt
und sieht, wer hier liegt,
zwischen Schollen und Flundern,
wie wird der sich wundem!
Gustav Falke, 1853-1916
Der Herbst als Färber - Robert Reinik
Da steigt der Herbst frisch von den Bergen nieder,
und wie er wandert durch den grünen Wald,
gefällt ihm nicht, daß überall das Laub dieselbe Farbe hat.
Er sagt: "Viel hübscher ist`s rot und gelb, das sieht sich lustig an."
So spricht er, und gleich färbt der Wald sich bunt. -
Und wie der Herbst drauf durch den Garten geht
und durch den Weinberg, spricht er:
"Was ist das? Der Sommer tat so groß mit seiner Hitze,
und Wein und Obst hat er nicht reif gemacht?
Schon gut, so zeig ich, daß ich`s auch versteh!"
Und kaum gesagt, so haucht er Wein und Obst
mit seinem Atem an, und siehe da:
die Äpfel und die Pflaumen und die Trauben,
zusehends reifen sie voll Duft und Saft.
Drauf kommt der Herbst zur Stadt und sieht die Knaben
in ihrer Schule sitzen voller Fleiß.
Da ruft er ihnen zu, "Grüß Gott ihr Buben!
Heut ist Sankt-Michaelis-Tag, da gibt es
lange Ferien. Kommt zu mir auf`s Land!
Ich hab dem Wald sein Laub schön bunt geblasen;
ich hab dem Apfel rot gefärbt die Backen;
ich will euch klar und blank die Augen wehen,
und Eure Backen will ich tüchtig bräunen,
wie sich`s für Buben schickt. Versteht ihr mich?"
So spricht der Herbst und jubelnd ziehn die Knaben
auf seinem Ruf durch Berg und Wald und Feld
und kehren heim mit neuer Lust zur Arbeit.
Robert Reinik, 1805 - 1852
Anziehliedchen - Paula Dehmel
Wer strampelt im Bettchen?
Versteckt sich wie'n Dieb?
Das ist der Rumpumpel,
Den haben wir lieb.
Was guckt da für'n Näschen?
Ein Bübchen sitzt dran.
Das ist der Rumpumpel,
Den ziehn wir jetzt an.
Erst wird er gewaschen
Vom Kopf bis zur Zeh;
Er weint nicht, er greint nicht,
Denn es tut ja nicht weh.
Schnell her mit dem Hemdchen:
Da schlüpfen wir fein
Erst rechts und dann links
In die Ärmelchen ´rein.
Fix an noch die Strümpfchen,
Fix an auch die Schuh;
Kommt's Händchen, schnürt's Bändchen,
Schon sind sie zu.
Nun Leibchen und Höschen,
Ein Röckchen kommt auch;
Sonst friert dem Rumpumpel
Sein kleiner runder Bauch.
Das Kämmchen kämmt sachte,
Aber still muss man stehn;
Zuletzt noch das Kleidchen,
Der Tausend, wie schön!
Paula Dehmel, 1862-1918
Traumwald - Christian Morgenstern
Traumwald
Des Vogels Aug verschleiert sich;
er fällt in Schlaf auf seinem Baum.
Der Wald verwandelt sich in Traum
und wird so tief und feierlich.
Der Mond, der stille, steigt empor.
Die kleine Kehle zwitschert matt.
Im ganzen Walde schwingt kein Blatt.
Fern läutet, fern, der Sterne Chor.
Christian Morgenstern
Photo copyright: Isabella Kramer
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