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Die Gänse-Königin

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Die Gänsekönigin

Huhle, Huhle Gänschen,
Wackelt mit dem Schwänzchen!
Ei, ihr wißt doch, was ich bin?
Bin ja die Frau Königin;
Ihr seid meine Kinder.
Gihkgahk, Juch!

Du bist meine Blaue,
Du bist meine Graue,
Räpple mit dem schwarzen Kopf,
Schimmel mit dem weißen Schopf
Und mein Hoftrompeter.
Gihkgahk, Juch!

Und da steht ihr alle Fünfe
Ohne Schuh' und ohne Strümpfe.
Wie ist’s auf der Welt so schön,
Das die Gänse barfuß geh'n
Selbst am lieben Sonntag!
Gihkgahk, Juch!

Kommt ein nasser Regen,
Donnert's - meinetwegen!
Laufen wir doch nicht davon,
Liesel sitzt auf ihrem Thron
Wie der König David.
Gihkgahk, Juch!

Huhle, huhle Schnäbel,
Kommt der Herbst mit Nebel,
Gebt ihr Braten, Gänsefett,
Weiche Federn für das Bett,
Freu'n sich alle Kinder!
Gihkgahk, Juch!

Legt euch Pfarrers Hanne
In die schöne Pfanne,
Steckt euch Beifuß in den Bauch,
Freut sich der Herr Pfarrer auch,
Sagt, ihr wäret prächtig! 
Gihkgahk, Juch!

Huhle, huhle Gänschen,
Wackelt mit dem Schwänzchen!
Freuet euch, denn daß ihr's wißt:
Wenn euch der Herr Pfarrer ißt, 
Kommt ihr auch in den Himmel!
Gihkgahk, Juch!



Friedrich Hofmann, 1813 - 1888





Aquarell veredit©isabella.kramer  www.veredit-art.blogspot.com 





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Die Kaktusblüte

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Die Kaktusblüte


Den Kaktus seht im Brand der Wüste,
Ein stachlichtes Gerippe nur!
Kein Tauwind, der ihn freundlich grüßte,
Den Eremiten der Natur.

Fest eingeklemmt in Felsenspalten
Scheint jeder Lebenstrieb erstarrt.
Mit Staub bedeckt die Runzelfalten,
Da sehnlich er der Blüte harrt.

Und endlich fühlt den Saft er drängen
In seinem Innern voller Macht:
Ein Knösplein, sieh, die Rinde sprengen
Beim Zauberruf der Sommernacht.

Und voller wird‘s von Stund‘ zu Stunde;
Es kreist der Saft in heißem Lauf.
Da geht ein keuchten durch die Runde,
Da geht das schöne Wunder auf.

Viel süßer als die Südlandsrose
Und leuchtender als Lilienpracht,
Im Mondlicht blüht die makellose,
Die Königin der Wüstennacht.

Doch wirren Spiels beim Morgengrauen
Durchs Wüstenland die Dolde treibt,
Verschrumpft und trostlos anzuschauen
Das stachlichte Gerippe bleibt.

Nur duftig haftet im Gemüte
Das Märchen seiner kurzen Pracht,
Bis wieder einst die Wunderblüte
Sich öffnen mag der Sommermacht.




Johannes Rothensteiner, 1860 - 1936 






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Der schöne Brunnen

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Der schöne Brunnen


Der Springquell plätschert und ergießt
Sich in der Marmorschale Grund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Rund;
Und diese gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und alles strömt und alles ruht.





Conrad Ferdinand Meyer, 1825-1898





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Mummelsees Rache

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Glatt ist der See, stumm liegt die Fluth,
So still, als ob sie schliefe,
Der Abend ruht wie dunkles Blut
Rings auf der finstern Tiefe;
Die Binsen im Kreise nur leise
Flüstern verstohlener Weise:

»Wer schleicht dort aus dem Tannenwald mit scheuem Tritte her?
Was schleppt er in dem Sacke nach so mühsam und so schwer?«
»Das ist der rothe Dieter, der Wilderer benannt,
Dem Förster eine Kugel hat er ins Herz gebrannt,
Jetzt kommt er, ins Gewässer den Leichnam zu versenken,
Doch unser alter Mummler läßt sich so was nicht schenken.«

»Der Alte hat gar leisen Schlaf, ihn stört sogar ein Stein,
Den man vielleicht aus Unbedacht ins Wasser wirft hinein;
Dann kocht es in der Tiefe, Gewitter steigen auf,
Und flieht nicht gleich der Wandrer mit blitzgeschwindem Lauf,
So muß er in den Fluthen als Opfer untergehen,
Kein Auge wird ihn jemals auf Erden wiedersehen!«

Da steht der Frevler an dem See, wirft seine Bürde ab,
Und stößt hinab mit einem Fluch den Sack ins nasse Grab:
»Da, jage du nun Fische, da drunten in dem See!
Jetzt kann ich ruhig pirschen im Walde Hirsch und Reh,
Kann mich nun ruhig wärmen an deines Holzes Gluthen,
Du brauchst ja doch kein Feuer da drunten in den Fluthen.«

Er spricht's und will zurück, doch hält ein Dorngestrüpp' ihn an,
Und immer fester zerrt es ihn mit tausendfachem Zahn.
Da kocht es in der Tiefe, Gewitter steigen auf,
Dumpf ob dem Gebirge nimmt der Donner seinen Lauf,
Der See steigt übers Ufer, es glüh'n des Himmels Flammen,
Und hoch schlägt über dem Mörder die schwarze Fluth zusammen. 

Stumm liegt der See, als ob die Gluth
Der Rache wieder schliefe;
Glatt ist die Fluth, im Monde ruht
Die unermess'ne Tiefe -
Die Binsen im Kreise nur leise
Flüstern verstohlener Weise.




August Schnezler, 1809 - 1853




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Der Igel

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Der Igel

Als ob man sägte, rasselt’s von
dem alten Gartenhausbalkon!
Wird heimlich Holz gemacht?
Oh, welch Verdacht!

Im Laub liegt dort ein Igelpaar
und schläft sich aus so wunderbar,
dass weit sein Sägeschnarchen dröhnt,
wenn’s nicht grad vor Behagen stöhnt
Ich will es schnarchen lassen.
Es soll den Tag verpassen
und sich nur tüchtig stärken
zu neuen Säuberwerken...

Es leuchtet heller Mondenschein
da trippelt’s auf der Treppe,
das Männchen ist’s und hinterdrein
die Igelin als Schleppe.

Nun schnobern sie durch Busch und Strauch
auf zierlich feinen Füßen
und füllen ihren feisten Bauch
mit Schnecken und mit süßen
vom Baum gefallenen Früchten an;
mit Maikäfern und Grillen
sie ihren Hunger stillen.

Da kommt ein Feind, der Dackelhund!
Schnell macht man seinen Rücken rund,
stellt Stacheln auf, rasch wie der Blitz,
dass sich die Hundeschnauze ritz’.
Schon tönt ein Jaulen kläglich,
bald frisst man fort behäglich.
Und endlich satt, denkt man daran,
wie man den lieben Kindern

den Hunger auch kann lindern.
So schleppt das Paar viel Räupchen fett
den Kindern an ihr mollig’ Bett,
von allem nur das Beste,
dass man sie kräftig mäste.

Otto Nebelthau (1894-1943)
Aus der Sammlung Die guten Räuber





Photo copyright: 
Isabella Kramer

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