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Der kleine Vogelfänger





Der kleine Vogelfänger


Wart', Vöglein, wart'! Jetzt bist du mein,
Jetzt hab' ich dich gefangen,
In einem Käfig sollst du jetzt
An meinem Fenster hangen!

»Ach, lieber Bube, sag' mir doch,
Was hab' ich denn begangen,
Dass du mich armes Vögelein,
Dass du mich hast gefangen?« –

Ich bin der Herr, du bist der Knecht:
Die Tiere, die da leben,
Die sind dem Menschen allzumal
Und mir auch untergeben.

»Das, lieber Bube, glaub' ich nicht,
Das sollst du mir beweisen!« –
Schweig' still, schweig' still! sonst brat' ich dich
Und werde dich verspeisen! –

Der Knabe rannte schnell nach Haus,
Da fiel er von der Stiegen.
Das Vöglein flog zum Haus hinaus
Und ließ das Büblein liegen.




August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798-1874
 
 
 
 
Photo copyright: Isabella Kramer
 







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Zum Abschied

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Der Herbstwind schüttelt die Linde,
Wie geht die Welt so geschwinde!
Halte dein Kindlein warm.
Der Sommer ist hingefahren,
Da wir zusammen waren -
Ach, die sich lieben, wie arm!

Wie arm, die sich lieben und scheiden!
Das haben erfahren wir beiden,
Mir graut vor dem stillen Haus.
Dein Tüchlein noch läßt du wehen,
Ich kann's vor Tränen kaum sehen,
Schau' still in die Gasse hinaus.

Die Gassen schauen noch nächtig,
Es rasselt der Wagen bedächtig -
Nun plötzlich rascher der Trott
Durch's Tor in die Stille der Felder
Da grüßen so mutig die Wälder,
Lieb' Töchterlein, fahre mit Gott!





Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff





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Das Schachspiel

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(Photo: David Lapetina/Wikimedia Commons)




Auf einem Schachbrett stand der Steine bunte Schar
Nach Stand und Würden hingepflanzt;
Der hölzerne Monarch und seine Dame war
Von Reisigen und Türmen rund umschanzt.
Die Läufer, oder wenn wir sie
Nach gallischen Kanzleistil nennen wollen,
Die Narren spielten große Rollen.
Die Bauern, gar ein zahmes Vieh
So lange sie nicht ihre Stärke kennen,
Die Bauern mußten vorne dran,
Um sich zuerst die Köpfe zu verrennen.
Das deutungsvolle Spiel begann.


Hier war der Knecht vom Herrn und dort der Knecht vom Knechte,
Oft gar der Herr durch seinen Hintermann
Von seinem Platz verdrängt. Der stolze Groß-Sultan
Sah unbewegt zur Rechten und zur Linken
Die Hälfte seiner Nation,
Als Opfer des Geschicks, zu Boden sinken,
Und endlich fiel auch er vom Thron.
Jetzt nimmt der Herr des Spiels, der allen Steinen
Die Rollen ausgeteilt und selbst sie aufgestellt,
Sie weg, und wirft vermengt die Großen und die Kleinen
In einen dunklen Sack. Dies ist das Bild der Welt.





Gottlieb Konrad Pfeffer (1736 - 1809), deutscher Fabeldichter und Erzähler








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Die fünf Hühnerchen

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Die fünf Hühnerchen



Ich war mal in dem Dorfe,
Da gab es einen Sturm,
Da zankten sich fünf Hühnerchen
Um einen Regenwurm.
Und als kein Wurm mehr war zu sehn,
Da sagten alle: Piep!
Da hatten die fünf Hühnerchen
Einander wieder lieb.





Victor Blühten, 1844-1920











gemalt von Isabella Kramer nach dem entzückenden Bild auf Wikimedia,Commons


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Die Zwerge von Pinneberg

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»In Pinneberg eine Hochzeit ist, auf auf, ihr lustigen
Geister!
Flink hin, wo's was zu essen gibt, wir sind Schnablierens
Meister!«
»Ja!« rief das sämtliche Gezwerg,
»Nach Pinneberg - nach Pinneberg!«
Mit feinen Stimmchen: »Pinneberg!«
Mit gröberen - »Nach Pinneberg!
Ja Pinneberg!
Nach Pinneberg!«

Die Gäste sitzen schon am Tisch und denken nun zu
schmausen;
Doch zwischen hockt das Geistervolk, und flink beginnt das
Mausen.
Kehrt sich ein Gast zur Nachbarin,
Schlipp schlapp, ist seine Suppe hin!
Es fasst es kein Verstand und Sinn,
Er sieht sich um, wo ist sie hin?
Wo ist sie hin,
Wo ist sie hin?

Es sind die Zwerge nicht zu sehn, sie haben Nebelkappen,
Sie drehen, wenden, ducken sich, man kann sie schwer
ertappen.
Sie höhlen aus den ganzen Fisch,
Sie ziehen aus der Gans den Wisch,
Sie langen das Konfekt vom Tisch,
Sie trinken aus den Gläsern frisch
Wein und Gemisch
Verschwenderisch!

Der Tanz beginnt, man steht nun auf, die Gäste sind noch
nüchtern,
Es knurrt der Magen, und man war im Nehmen doch nicht
schüchtern!
Doch, kam auch noch soviel herein,
Gleich war das Zwergvolk hinterdrein,
Weg war sogleich Bier, Met und Wein,
Im Nu auch jeder Teller rein
Von Leckerein Und Näscherein!

Die Gäste sind zum Tanz so leicht, als war' es vor dem
Speisen.
Hei! wie gelang den Paaren es, im Saal herumzukreisen!
Doch bald erhebt ein Stäuben sich
So mächtiglich und fürchterlich,
Als tanzte hier unsichtbarlich
Der Püsterich mit Alberich
Und Alberich
Mit Kalberich.

Und sieh! so war's; die Zwerge sind vom vielen Wein
betrunken:
Da wird im Saal herumgeschleift, gehumpelt und gehunken!
Den einen juckt so weit die Haut,
Er küsst beherzt die schöne Braut,
Und was der eine sich getraut,
Getraut sich alles böse Kraut:
Es graut der Braut,
Die fühlt, nicht schaut.

Den Bräutigam verdrießt das Ding: er schlägt um sich im
Zorne
Und trifft, da fliegt ein Käppchen ab dem einen Zwerg von
vorne.
Das fängt der Bräutigam sodann
Und sieht nunmehr den kleinen Mann,
Der aber blickt ihn bittend an
Und weint, so sehr man weinen kann:
»Sei kein Tyrann!
Lass los den Bann!«

»Halt fest!« rief da ein Gast ihm zu, »dann kommen andre
Zwerge,
Die bringen dir zum Lösegeld viel Schönes aus dem Berge.
So! kneif ihn recht! dann schreit er sehr,
Da kommen Zwerge mehr und mehr:
Sieh! keiner hat die Hände leer,
Und alle tragen Schätze schwer;
Sie keuchen sehr: Kneif ihn noch mehr!«

Wie mühsam kommt nun einer an mit einer goldnen Kette
Und fleht der schönen Braut, dass sie den Kameraden rette.
Die Braut, zufrieden mit dem Kauf,
Setzt nun dem Schelm sein Käppchen auf,
Gibt einen Kuss ihm obenauf
Und sagt: »Nun, armer Schelm, nun lauf.
Lauf Zwergehauf,
Den Berg hinauf!«

Da lief, so schnell es konnte, fort das ganze Volk der
Zwerge
Und zankte sich noch lange Zeit, man hört es tief im Berge.
Sie sagten: »Nie nach Pinneberg -
Spricht einer noch von Pinneberg,
Den schicken wir nach Pinneberg,
Und lassen ihn in Pinneberg!
In Pinneberg,
In Pinneberg.«

Der Braut zu Füßen aber liegt der Saal gehäuft voll Schätze,
Und jeder Gast empfängt ein Stück, dass er sich dran
ergötze.
Aufs neu' beginnt das ganze Fest;
Und da nun fort das Wespennest,
Ein jeder sich's auch schmecken lässt,
Was man ihm bringt aus Ost und West,
Und hält es fest
Bis auf den Rest.





August Kopisch, 1799-1853










 Bild: Wikimedia.Commons




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