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Der stille Garten

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Wie gefangen liegt die Sonne
Hier in meinem kleinen Garten,
Wo zu immer neuer Wonne
Tausend Wunder auf mich warten.

Fühle von der Welt da draußen
Nichts mehr hinter seiner Türe,
Lass die Stürme all' verbrausen;
Keiner, der ans Herz mir rühre.

Nur den Mond noch und die Sterne
Laß ich in den Garten sehen,
Und so darf ich in die Ferne
Lauter goldne Wege gehen.









Karl Ernst Knodt, 1856 - 1917


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Ballade in Ur-Dur

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Ballade in Ur-Dur 

Es lebte Herr Kunz von Karfunkel
Mit seiner verrunzelten Kunkel
Auf seinem Schlosse Punkpunkel
In Stille und Sturm.
Seine Lebensgeschichte war dunkel,
Es murmelte manch Gemunkel
Um seinen Turm.

Täglich ließ er sich sehen
Beim Auf- und Niedergehen
In den herrlichen Ulmenalleen
Seines adlichen Guts.
Zuweilen blieb er stehen
Und ließ die Federn wehen
Seines Freiherrnhuts.

Er war just hundert Jahre,
Hatte schneeschlohweiße Haare
Und kam mit sich ins klare:
Ich sterbe nicht.
Weg mit der verfluchten Bahre
Und ähnlicher Leichenware!
Hol sie die Gicht!

Werd ich, neugiertrunken
Ins Gartengras hingesunken,
Entdeckt von dem alten Halunken,
Dann grunzt er plump:
Töw Sumpfhuhn, ick wil di glieks tunken
In den Uhlenpfuhl zu den Unken,
Du schrumpliger Lump.

Einst lag ich im Verstecke
Im Park an der Rosenhecke,
Da kam auf der Ulmenstrecke
Etwas angemufft.
Ich bebe, ich erschrecke:
Ohne Sense kommt mit Geblecke
Der Tod, der Schuft.

Und von der andern Seite,
Mit dem Krückstock als Geleite,
In knurrigem Geschreite,
Kommt auch einer her.
Der sieht nicht in die Weite,
Der sieht nicht in die Breite,
Geht gedankenschwer.

Hallo, du kleine Mücke,
Meckert der Tod voll Tücke,
Hier ist eine Gräberlücke,
Hinunter ins Loch!
Erlaube, dass ich dich pflücke,
Sonst hau ich dir auf die Perücke,
Oller Knasterknoch.

Der alte Herr, mit Grimassen,
Tut seinen Krückstock fest fassen:
Was hast du hier aufzupassen,
Du Uhu du!
Weg da aus meinen Gassen,
Sonst will ich dich abschrammen lassen
zur Uriansruh!

Sein Krückstock saust behände
Auf die dürren, gierigen Hände,
Die Knöchel- und Knochenverbände:
Knicksknucksknacks.
Freund Hein schreit: Au, mach ein Ende!
Au, au, ich lauf ins Gelände
Nach Haus schnurstracks.

Noch heut lebt Herr Kunz von Karfunkel
Mit seiner verrunzelten Kunkel
Auf seinem Schlosse Punkpunkel
In Stille und Sturm.
Seine Lebensgeschichte ist dunkel,
Es murmelt und raunt manch Gemunkel
Um seinen Turm.



Detlev von Liliencron, 1844-1909



Photo copyright: Isabella Kramer


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Der verliebte Maikäfer

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"Glühwürmchen, steck's Laternchen an!
ich will ein Ständchen bringen,
zur roten Tulpe führ' mich hin,
da wohnt meine schöne Fliege drin,
die hört so gern mich singen!"

Maikäfer spricht's, der eitle Geck;
er knüpft nach Stutzerweise
sein braunes Röckchen zierlich auf,
zieht kraus die Flügel draus herauf,
und macht sich auf die Reise.

Auf gold'nem Stühlchen saß daheim
schön' Fliege gar app'titlich,
trank ihren Tau in guter Ruh,
aß etwas Blumenstaub dazu
und war so recht gemütlich.

Da leuchtet's durch die rote Wand,
sie war gar fein gewoben;
da summt es drauß,
da wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen saß oben.

Schön' Fliege denkt: „Du alter Narr,
du kommst mir recht zu passe!"
Sie fliegt zum Dach und gießet schlau
einen ganzen großen Tropfen Tau
dem Käfer auf die Nase.

Kalt Wasser, von so zarter Hand
auf heißes Blut gegossen,
das kühlt ein ewnig heftig ab,
Maikäfer stürzt im Nu herab,
als wär' er tot geschossen.

Doch kaum erholt er sich vom Schreck,
da spricht er ohn' Verdrießen:
„Das Zuckerkind! wie denkt sie mein!
wollt' mich mit süßem Trank erfreu'n,
tät nur zu viel vergießen!"

Schön' Fliege macht die Äuglein zu
und meint: der kommt nicht wieder;
da summt es drauß, da brummt es drauß,
es wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen kam wieder.

Schön' Fliege denkt: „Nun warte, Wicht!
Ich will im Takt dich rütteln!"
Sie fliegt vom Wand zu Wand herum,
dass sich die ganze Tulpenblum',
als wär ein Sturm, muss schütteln.

Wer hoch in Liebesträumen schwebt,
sieht nicht auf Steg und Wegen;
die Tulpenwände waren glatt,
und eh's der Käfer merken tat,
hat unten er gelegen.

Doch kaum erholt er sich vom Schreck,
vergessen war das Leiden:
„O je! wie bin ich doch beglückt,
mein Ständchen hat sie so entzückt,
dass hoch sie sprang vor Freuden!"

Schön' Fliege, bald im Schlummer schon,
sie denkt: der kommt nicht wieder;
da summt es drauß, da brummt es drauß,
es wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen kam wieder.

„Jetzt hab' ich den Gesellen satt,
soll mir nicht wieder kommen;
ist nur die Sonne erst erwacht
und hat mein Häuschen aufgemacht,
dann soll's ihm schlecht bekommen!"

Und wie die liebe Sonne
durch die ersten Fügen blinket,
da stürmt im Fluge sie hervor,
schlägt mit den Flügeln ihm um's Ohr,
dass tief ins Gras er sinket.

Doch bald erholt er sich vom Schreck:
„Nun ist mein Glück vollkommen!
Sie wollt' mich küssen offenbar,
da musste grad ich dummer Narr
ihr untern Flügel kommen!

Glühwürmchen! Glühwürmchen!
Glühwürmchen, lisch dein Lichtchen aus,
musst nicht so viel vergeuden!
wir brauchen's heute Abend doch,
da kommen wir viel früher noch!
es macht ihr tausend Freuden!





Robert Reinick,1805-1852





Photo copyright: Isabella Kramer

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Verschüttet

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            Sirenen heulen auf und abschwellend durch die Stadt,
            Menschen eilen von überall her auf Bunkeranlagen zu,
            eine Gruppe von achtzig Kindern sammelt sich
            unter der Leitung einer jungen Kindergärtnerin,
            betritt ruhig und diszipliniert die Kellerräume eines Hauses,
            setzt sich, eng aneinander gerückt, auf vorbereitete Bänke;
            feiner Sand rieselt von der Decke -

            Während die Sirenen noch weiter heulen,
            beginnt die Kindergärtnerin zu erzählen,
            das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen;
            sie erzählt und ein Mantel der Stille legt sich um die Kinder,
            sogar die Erwachsenen kleben bald an ihrem Mund
            und Tränen kullern verschämt über die eine oder andere Wange;
            urplötzlich ein Krachen, ein heftiges Rütteln erschüttert das Haus -

            Ein panischer Schrei, wir sind verschüttet,
            eine Bombe hat das Haus getroffen im Eingangsbereich;
            die Kindergärtnerin unterbricht nur kurz ihr Erzählen,
            macht mit ihren Armen eine weit umfassende Gebärde nach unten
            und die Kinder schlüpfen wieder unter den Mantel der Stille;
            bald sind Schaufeln und Hacken zu hören,
            auf Schneewittchen folgt Rotkäppchen -

            Die Kindergärtnerin lässt auf engsten Raum einen Reigen tanzen,
            die Kinder zeichnen Rotkäppchens Blumen in den Staub vor sich
            erzählen von den Blumen, die sie heute schon gepflückt
            und überbringen sie in einer symbolischen Gebärde
            den Erwachsenen im Keller;
            keine Panik, nur Stille und etwas wie ein Duft von Blumen,
            eine Insel des Friedens mitten im Krieg.

            Nach zwei Stunden, Licht und Stimmen, ist jemand verletzt,
            die Kinder kommen frei,
            von Sorge gebeutelte Eltern umarmen ihre Kinder,
            beschämte Blicke streifen die Kindergärtnerin,
            da und dort ein Händedruck des Dankes;
            noch immer umgibt die junge Frau ein Mantel der Stille,
            im Kindergarten schmückt sie die Tische für den nächsten Tag -




           

© baH, 24.04.2013



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Arm Kräutchen

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Ein Sauerampfer auf dem Damm
stand zwischen Bahngeleisen,
machte vor jedem D-Zug stramm,
sah viele Menschen reisen.



Und stand verstaubt und schluckte Qualm,
schwindsüchtig und verloren,
ein armes Kraut, ein schwacher Halm,
mit Augen, Herz und Ohren.



Sah Züge schwinden, Züge nahen.
Der arme Sauerampfer
sah Eisenbahn um Eisenbahn,
sah niemals einen Dampfer. 







Joachim Ringelnatz 



Foto copyright: Isabella Kramer
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