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Mittagszauber

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Im Garten wandelt hohe Mittagszeit,
der Rasen glänzt, die Wipfel schatten breit;
von oben sieht, getaucht in Sonnenschein
und leuchtend Blau, der alte Dom herein.

Am Birnbaum sitzt mein Töchterlein im Gras;
die Märchen liest sie, die als Kind ich las;
ihr Antlitz glüht, es ziehn durch ihren Sinn
Schneewittchen, Däumling, Schlangenkönigin.

Kein Laut von außen stört; 's ist Feiertag -
nur dann und wann vom Turm ein Glockenschlag!
Nur dann und wann der mattgedämpfte Schall
im hohen Gras von eines Apfels Fall!

Da kommt auf mich ein Dämmern wunderbar,
gleich wie im Traum verschmilzt, was ist und war:
die Seele löst sich und verliert sich weit
im Märchenreich der eignen Kinderzeit.




Emanuel Geibel





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Das grüne Wunder

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Mein Birkenhain stand weiß und kahl,
Die dünnen Stämmchen fror,
Da kam April und zauberte
Das Leben grün hervor.

Mit einem Schleier angetan
Steht nun mein Birkenhain;
Das grüne Wunder ist geschehn,
Nun lasst uns gläubig sein.

Nun lasst uns glauben wiederum,
Dass Leben Schönheit heißt:
Mein Birkicht ist ein Zauberwald,
In dem das Wunder kreißt.



Otto Julius Bierbaum, 1865-1910





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Das Dorf

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Steht ein Kirchlein im Dorf,
Geht der Weg dran vorbei,
Und die Hühner, die machen
Am Weg ein Geschrei.

Und die Tauben, die flattern
Da oben am Dach,
Und die Enten, die schnattern
Da unten am Bach.

Auf der Brück' steht ein Junge,
Der singt, dass es schallt,
Kommt ein Wagen gefahren,
Der Fuhrmann, der knallt.

Und der Wagen voll Heu,
Der kommt von der Wiese,
Und oben darauf
Sitzt der Hans und die Liese.

Die jodeln und juchzen
Und lachen alle beid',
Und das klingt durch den Abend,
Es ist eine Freud!

Und dem König sein Thron,
Der ist prächtig und weich,
Doch im Heu da zu sitzen,
Dem kommt doch nichts gleich!

Und wär' ich der König,
Gleich wär' ich dabei
Und nähme zum Thron mir
Einen Wagen voll Heu.


Robert Reinick




Photo copyright: 
Isabella Kramer
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