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An den Mai

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Komm, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün
und lass mir an dem Bache die kleinen Veilchen blühn!
Wie möchte ich doch so gerne ein Veilchen wieder Sehn,
ach, lieber Mai, wie gerne einmal spazieren gehn!

Zwar Wintertage haben wohl auch der Freuden viel:
man kann im Schnee eins traben und treibt manch Abendspiel,
baut Häuserchen von Karten, spielt Blindekuh und Pfand,
auch gibt's wohl Schlittenfahrten aufs liebe freie Land

Doch wenn die Vögel singen und wir dann froh und flink
auf grünem Rasen springen, das ist ein ander Ding!
Jetzt muss mein Steckenpferdchen dort in dem Winkel stehen,
denn draußen in dem Gärtchen kann man vor Schmutz nicht gehn.

Am meisten aber dauert mich Lottchens Herzeleid,
das arme Mädchen lauert recht auf die Blumenzeit.
Umsonst hol ich ihr Spielchen zum Zeitvertreib herbei,
sie sitzt in ihrem Stühlchen wie's Hühnchen aus dem Ei.

Ach, wenn's doch erst gelinder und grüner draußen wär!
Komm, lieber Mai, wir Kinder, wir bitten gar zu sehr!
O komm und bring vor allem uns viele Veilchen mit,
bring auch viele Nachtigallen und schöne Kuckucks mit.






Christian Adolf Overbeck, 1755-1821



Foto copyright: Isabella Kramer
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