Schneeglöckchen
Noch zieh’n die Wolken düster,
Die Erde deckt noch Schnee,
Da schaut des Lenzes Küster
Hervor mit Sehnsuchtsweh’.
Es ist das Blumenglöckchen,
Das guckt hervor voll Scheu,
Ob’s wohl im dünnen Röckchen
Zu kalt nicht droben sei?
Es guckt nach allen Seiten
Und schüttelt trüb sein Haupt,
Nur rauhe Winde streiten
Kein Baum noch ist belaubt.
Das fasst ein tiefes Grämen
Das kleine Blumenherz,
Da muss es Abschied nehmen,
Muss wieder grabeswärts.
„Ade, ihr lieben Blumen,
Hätt’ euch so gern’ geseh’n,
Wenn Bienlein euch umsummen,,
Ist’s längst um mich gescheh’n.“
„Ade, ihr duft’gen Rosen,
Ihr Veilchen zart und fein,
Wenn West und Falter kosen,
Wird’s freudlos um mich sein!“
Doch sieh’, auf luftigen Schwingen
Kommt schon ein Nest daher,
Dem folgt mit freud’gem Singen
Ein Vöglein über’s Meer.
Dem Vöglein folgt ein Zweites,
Was sollt’ es auch allein,
Und fröhlichen Geleites
Zieht Frühling hinterdrein.
Wie da zu süßen Freuden
Ist Blümleins Herz entflammt,
Doch will es selbst im Scheiden
Verrichten noch sein Amt.
Da läutet ohn’ Ermatten
Der Küster, klein und schwach,
Aus ihren Gräberschatten
Die Blumenschläfer wach.
Doch kaum noch, mit Geflüster
Ersteh’n sie aus dem Grab,
Sinkt auch der kleine Küster
In seines schon hinab.
Johann Nepomuk Vogl
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