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Eine traurige Geschichte

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Eine traurige Geschichte

Ein Hering liebt' eine Auster
Im kühlen Meeresgrund;
Es war sein Dichten und Trachten
Ein Kuß von ihren Mund.

Die Auster, die war spröde,
Sie blieb in ihrem Haus;
Ob der Hering sang und seufzte,
Sie schaute nicht heraus.

Nur eines Tags erschloß sie
Ihr duftig Schalenpaar;
Sie wollte im Meeresspiegel
Beschauen ihr Antlitz klar.

Schnell kam der Hering geschwommen,
Streckt seinen Kopf herein
Und dacht' an einem Kusse
In Ehren sich zu freu'n!

O Harung, armer Harung,
Wie schwer bist du blamiert!
- Sie schloß in Wut die Schalen,
Da war er guillotiniert.

Jetzt schwamm sein toter Leichnam
Wehmütig im grünen Meer
Und dachte: "In meinem Leben
Lieb' ich keine Auster mehr!"


Joseph Victor von Scheffel, 1826 - 1886 




Die Guillotine ist ein nach dem französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin benanntes Fallbeil zur Vollstreckung der Todesstrafe durch Enthauptung. Wikipedia 



Photo copyright: Isabella Kramer
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Schwanenspur

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Schwanenspur

Fliehendes Jahr, in duftigen Schleiern
Streifend an abendrötlichen Weihern
Wallest du deine Bahn;
Siehst mich am kühlen Waldsee stehen,
Wo an herbstlichen Uferhöhen
Zieht entlang ein stummer Schwan.

Still und einsam schwingt er die Flügel
Tauchet in den Wasserspiegel,
Hebt den Hals empor und lauscht;
Taucht zum andern Male nieder,
Richtet sich auf und lauschet wieder,
Wie's im flüsternden Schilfe rauscht.

Und in seinem Tun und Lassen
Will's mich wie ein Traum erfassen,
Als ob's meine Seele wär:,
Die verwundert über das Leben,
Über das Hin- und Widerschweben, 
Lugt' und lauschte hin und her.

Atme nur in vollen Zügen
Dieses friedliche Genügen
Einsam auf der stillen Flur!
Und hast du dich klar empfunden,
Mögen enden deine Stunden,
Wie zerfließt die Schwanenspur!




Gottfried Keller




Photo copyright: Isabella Kramer

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Das Große im Kleinen

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Das Große im Kleinen

Du sprichst, das Große kann nicht in dem Kleinen sein,
Den Himmel schließt man nicht ins Erdenstüpfchen ein.
Komm, schau der Jungfraun Kind, so siehst du in der Wiegen
Den Himmel und die Erd und hundert Welten liegen.


Angelus Silesius (1624 - 1677)






Photo by Alasdair Elmes on Unsplash

Weihnachtslegende

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Weihnachtslegende

In heiliger Nacht flogen Hand in Hand
drei Englein hinab in das jüdische Land.

Sie wollten die seligste aller Frau’n
und das göttliche Kind in der Krippe schau’n.

Der Stern von Bethlehem war noch wach
und strahlte mild auf das flache Dach.

Sie suchten die Pforte und fanden sie bald
und lugten wechselnd durch heimlichen Spalt.

Sie riefen und baten und klopften ganz sacht,
bis Joseph behutsam aufgemacht.

Im Stall war es dämmrig. Sie schwebten heran
und schauten den schlummernden Heiland an.

Der eine hob hoch die Ampel empor
und breitete schattend sein Flüglein davor.

Der zweite schob sanft in des Kindes Hand
ein Sternlein, gefunden am Himmelsrand.

Der dritte hat fromm vor der Krippe gekniet
und sang mit süßer Stimme ein Lied.

Da zog ein Lächeln, göttlich und licht,
über des himmlischen Kindes Gesicht.

Für alle Zukunft hat es geweiht
die Feier der heiligen Weihnachtszeit:

Die strahlende Leuchte, den Weihnachtsstern
und das fromme Lied zum Preise des Herrn.

Alice von Gaudy 1863 - 1929




Photo copyright: Isabella Kramer


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Der Stern




Der Stern

Hätt einer auch fast mehr Verstand,
Als wie die drei Weisen aus Morgenland,
Und ließe sich dünken, er wär wohl nie
Dem Sternlein nachgereist wie sie;
Dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
Seine Lichtlein wonniglich scheinen läßt,
Fällt auch auf sein verständig Gesicht,
Er mag es merken oder nicht,
Ein freundlicher Strahl
Des Wundersternes von dazumal.


Wilhelm Busch, 1832 - 1908




Photo copyright: Isabella Kramer
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Lieber guter Nikolaus,

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Lieber guter Nikolaus,

bring, bitt' schön, mir ein Vogelhaus
mit vielen kleinen Spatzen drin
wär's ganz nach meinem Katzensinn,
auch vier, fünf Mäuschen wären fein,
doch will ich recht bescheiden sein,
beende meine Liste, schau!
Es grüßt dich, Miezi mit Miau




isabella.kramer©veredit2019 






Bitte beachten Sie das Urheberrecht: Copyright Texte, Fotos und Graphiken = Isabella Kramer, veredit - wenn nicht anders erwähnt. Auch für private Homepages dürfen diese Texte, Fotos und Graphiken nicht ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis verwendet werden! Wenn Sie meine Gedichte oder Bilder verwenden wollen, fragen sie mich bitte. 

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Photo copyright: Isabella Kramer

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Furchtbar schlimm!

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Furchtbar schlimm!

Vater, Vater, der Weihnachtsmann!
Eben hat er ganz laut geblasen,
viel lauter als der Postwagenmann.
Er ist gleich wieder weitergegangen,
und hat zwei furchtbar lange Nasen,
die waren ganz mit Eis behangen.
Und die eine war wie ein Schornstein,
die andre ganz klein wie'n Fliegenbein,
darauf ritten lauter, lauter Engelein,
die hielten eine großmächtige Leine,
und seine Stiefel waren wie Deine.
Und an der Leine, da ging ein Herr,
ja wirklich, Vater, wie'n alter Bär,
und die Engelein machten hottehott;
ich glaube, das war der liebe Gott.
Denn er brummte furchtbar mit dem Mund,
ganz furchtbar schlimm, ja wirklich; und –

"Aber Detta, du schwindelst ja,
das sind ja wieder lauter Lügen!"

Na, was schad't denn das, Papa?
Das macht mir doch soviel Vergnügen.
"So? – Na ja."


Richard Dehmel, 1863 - 1920





Gemälde copyright: Isabella Kramer


Die Welt macht Urlaub - ein Nebelgedicht

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Die Welt macht Urlaub - ein Nebelgedicht


Er klopft nicht an
und macht auch keine Schritte.
Ganz plötzlich – ungehört -
stehst du in seiner Mitte.

Fühlst dich gepackt in ihn,
ganz wie in Zuckerwatte -
so wie den Rest der Welt,
die nun ganz farbenmatte.

Als wär mit Kreidestaub sie
 hauchdünn überschüttet,
wird alles blass und bleich,
unscharf und weiß getönt.

Und wolkensanft umhüllt
 fühlst du dich leis behütet.
Alles liegt still und weich
und nicht ein Fahrzeug dröhnt.

Die Welt steht stille, fast,
und muss mal langsam machen.
Macht Urlaub. Nebel, find ich,
eins von den schönsten Sachen!



mit freundlicher Genehmigung von: die amelie ´ 2010 (Claudia N.) 




Photo copyright: Isabella Kramer

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Lied gegen die Angst

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In mein gar zu dunkles Leben
Strahlte einst ein süßes Bild;
Nun das süße Bild erblichen,
Bin ich gänzlich nachtumhüllt.

Wenn die Kinder sind im Dunkeln
Wird beklommen ihr Gemüt,
Und um ihre Angst zu bannen,
Singen sie ein lautes Lied.

Ich, ein tolles Kind, ich singe
Jetzo in der Dunkelheit;
Klingt das Lied auch nicht ergötzlich,
Hat's mich doch von Angst befreit.


Heinrich Heine, 1797 - 1856
Quelle: Heine, H., Gedichte. Buch der Lieder, 1827. Die Heimkehr






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Vergänglichkeit

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Vergänglichkeit

Nun spinnen sich die Tage ein,
Nicht einer will mehr freundlich sein,
Sie müssen sich alle besinnen
Auf eine Hand voll Sonnenschein
Und gehen dürftig von hinnen,
Wie Wasser im Sande verrinnen.

Die Menschen wandern hinterdrein,
Still einzeln, oder still zu zwein,
Und sehen die Blätter verfliegen
In alle vier Wände hinein.
Sie möchten im Sonnenschein liegen
Und müssen sich fröstelnd schmiegen.

So war es tausend Jahr und mehr,
Mit Blindheit kommt der Herbst daher.
Gern will ihn keiner sehen,
Er macht ja alle Wege leer.
Er muß zur Seite gehen
Und muß um Mitleid flehen.

Und so geht's tausend Jahre fort.
Vergänglichkeit, Du müdes Wort,
Du lösest ab die Tage,
Du duldest weder Zeit noch Ort,
Machst Wirklichkeit zur Sage,
Den Liebesrausch zur Klage.


Max Dauthendey, 1867 - 1918


Photo copyright: Isabella Kramer

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Um Mitternacht

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 Um Mitternacht

Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand,
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,Mu
Vom heute gewesenen Tage.


Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet's nicht, sie ist es müd;
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.


Eduard Mörike


Photo copyright: Isabella Kramer
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Zauberschwestern

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Zauberschwestern

Zwiefach sind die Fantasien,
Sind ein Zauberschwesternpaar,
Sie erscheinen, singen, fliehen
Wesenlos und wunderbar.

Eine ist die Himmelblaue,
Die uns froh entgegen lacht;
Doch die andre ist die Graue,
Welche Angst und Bange macht.

Jene singt von lauter Rosen,
Singt von Liebe und Genuß;
Diese stürzt den Hoffnungslosen
Von der Brücke in den Fluß.


Wilhelm Busch, 1832 - 1908





Photo by freestocks.org on Unsplash
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Das Gespenst

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Das Gespenst

Ein Hauswirt, wie man mir erzählt,
Ward lange Zeit durch ein Gespenst gequält.
Er ließ, des Geists sich zu erwehren,
Sich heimlich das Verbannen lehren;
Doch kraftlos blieb der Zauberspruch.
Der Geist entsetzte sich vor keinen Charakteren
Und gab, in einem weißen Tuch,
Ihm alle Nächte den Besuch.

Ein Dichter zog in dieses Haus.
Der Wirt, der bei der Nacht nicht gern allein gewesen,
Bat sich des Dichters Zuspruch aus
Und ließ sich seine Verse lesen.
Der Dichter las ein frostig Trauerspiel,
Das, wo nicht seinem Wirt, doch ihm sehr wohl gefiel.

Der Geist, den nur der Wirt, doch nicht der Dichter sah,
Erschien, und hörte zu; es fing ihn an zu schauern;
Er konnt' es länger nicht als einen Auftritt dauern;
Denn, eh' der andre kam, so war er nicht mehr da.
Der Wirt, von Hoffnung eingenommen,
Ließ gleich die andre Nacht den Dichter wiederkommen.
Der Dichter las; der Geist erschien,
Doch ohne lange zu verziehn.
"Gut!" sprach der Wirt bei sich, "dich will ich bald verjagen;
Kannst du die Verse nicht vertragen?"

Die dritte Nacht blieb unser Wirt allein.
Sobald es zwölfe schlug, ließ das Gespenst sich blicken;
"Johann!" fing drauf der Wirt gewaltig an zu schrein,
"Der Dichter (lauf geschwind!) soll von der Güte sein
Und mir sein Trauerspiel auf eine Stunde schicken."
Der Geist erschrak und winkte mit der Hand,
Der Diener sollte ja nicht gehen.
Und kurz, der weiße Geist verschwand
Und ließ sich niemals wieder sehen.

Ein jeder, der dies Wunder liest,
Zieh' sich daraus die gute Lehre,
Daß kein Gedicht so elend ist,
Das nicht zu etwas nützlich wäre.
Und wenn sich ein Gespenst vor schlechten Versen scheut,
So kann uns dies zum großen Troste dienen.
Gesetzt, daß sie zu unsrer Zeit
Auch legionenweis' erschienen:
So wird, um sich von allen zu befrein,
An Versen doch kein Mangel sein.


Christian Fürchtegott Gellert, 1715 - 1769




Photo by Stefano Pollio on Unsplash



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Wintersaat

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Wintersaat

In des Kornfelds kahl Gebreite
tiefe Furchen reißt der Pflug.
Weißer Nebel hüllt die Weite,
hüllt den Wald in Schleiertuch.

Nur der Landmann noch beim Säen
steht, vom letzten Licht umloht, –
und ein schreiend Volk von Krähen
hebt sich scheu ins Abendrot.

Aus dem bunten Spiel der Zeiten
wird uns letzte Weisheit kund,
lehrt uns still die Hände breiten
über mütterlichen Grund.



Clara Müller-Jahnke, 1860 - 1905




Photo copyright: Isabella Kramer
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Im Reich der Interpunktion

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Im Reich der Interpunktionen
nicht fürder goldner Friede prunkt:

Die Semikolons werden Drohnen
genannt von Beistrich und von Punkt.

Es bildet sich zur selben Stund'
ein Antisemikolonbund.

Die einzigen, die stumm entweichen,
(wie immer), sind die Fragezeichen.

Die Semikolons, die sehr jammern,
umstellt man mit geschwungnen Klammern,

und setzt die so gefangnen Wesen
noch obendrein in Parenthesen.


Abb
Das Minuszeichen naht und - schwapp!
Da zieht es sie vom Leben ab.

Kopfschüttelnd blicken auf die Leichen
die heimgekehrten Fragezeichen.

Doch, wehe! Neuer Kampf sich schürzt:
Gedankenstrich auf Komma stürzt -

und fährt ihm schneidend durch den Hals -
bis dieser gleich - und ebenfalls

(wie jener mörderisch bezweckt)
als Strichpunkt das Gefild bedeckt! ...


Abb
Stumm trägt man auf den Totengarten
die Semikolons beider Arten.

Was übrig von Gedankenstrichen,
kommt schwarz und schweigsam nachgeschlichen.

Das Ausrufszeichen hält die Predigt;
das Kolon dient ihm als Adjunkt.

Dann, jeder Kommaform entledigt,
stapft heimwärts man, Strich, Punkt, Strich, Punkt ...



Christian Morgenstern 


Photo copyright: Isabella Kramer
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Rolands Horn

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Rolands Horn

Der König Karl beim Jubelmahl,
hoch schwang in der Hand er den goldnen Pokal:
"Lang lebe der Sieger, der heut noch fern,
Roland, mein Roland, der Streiter des Herrn!"
Da – bei der Becher Zusammenstoß,
wie Schatten sich's über die Wände goß
und als das jauchzende Hoch verscholl,
ein Dämmern über die Erde schwoll,
und weit, weit her es traurig hallt'
hinklagend über See und Wald…

Und als sie drängten zur Tür mit Macht,
da wuchs das Dunkel zur finstern Nacht,
und angstvoll durch die Luft herbei
rang sich's wie wilder Todesschrei…
Und als sie sich wandten entsetzt zum Thron,
da stöhnte zum drittenmal her ein Ton,
da zittert' es über Wald und See
wie aus verröchelnder Brust ein Weh…
Doch als der König sich bleich erhob,
blaß wieder ein Dämmern die Halle durchwob.

Und als er rief: "Verrat! Zu Roß!"
Weiß wieder der Tag die Halle durchfloß.
Wohl jagten sie windschnell querfeldein,
rastlos bei Sonnen- und Sternenschein
hin bis zum Morgen nach Ronceval –
da kreischten die Krähen schon über dem Tal,
da lagen die Helden, die Wunden vorn,
und stumm er, Roland, zerborsten sein Horn.


Ferdinand Ernst Albert Avenarius, 1856 - 1923



Photo by Nirzar Pangarkar on Unsplash


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Einkehr

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Einkehr

Bei einem Wirte wundermild
Da war ich jüngst zu Gaste.
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum
Bei dem ich eingekehret
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das Beste.

Ich fand ein Bett in süßer Ruh
Auf weichen, grünen Matten
Der Wirt er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt ich nach der Schuldigkeit.
Da schüttelt er den Wipfel
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel.


Ludwig Uhland, 1787 - 1862




Photo copyright: Isabella Kramer

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Apfel und Feigenblatt

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Apfel und Feigenblatt

Der Apfel und das Feigenblatt,
Das sind zwei Symbole,
Die uns ein Gott gegeben hat
Zum Weh und teils zum Wohle.

Durch Apfel und das Feigenblatt
Kam Adam zur Erkenntnis.
Wie schade, ein Eunuche hat
Dafür gar kein Verständnis.

Der Apfel und das Feigenblatt
Sind wicht'ge Utensilien
Und sehr beliebt in Land und Stadt
Von Grönland bis Brasilien.

Die beiden Dinge sind antik,
Doch unbedingt vonnöten,
So wichtig wie in der Musik
Die Pauken und Trompeten.

Der Apfel ist nebst Feigenblatt
Nicht nur für feine Leute,
Der größte Menschenfresser hat
Auch daran seine Freude.

Der Apfel und das Feigenblatt,
Sie stürzten Fürstenthrone
Und setzten Könige schachmatt
Mit Zepter samt der Krone.

Der Apfel und das Feigenblatt,
Sie stimmen uns vergnüglich,
Und machen sie uns auch nicht satt,
Sie munden ganz vorzüglich.

Dem Herrn sei Lob und Preis und Dank,
Der uns dies einst gegeben.
Ich möcht' mein ganzes Leben lang
Vom Sündenfallobst leben.



Fred Endrikat, 1890 - 1942



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Das ist die Nacht

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Das ist die Nacht

Am graubedeckten Horizont erhebt
Sich rot der Mond, vom Nebeltanz getragen.
Das Feld schläft dampfend ein, die Frösche klagen
Im grünen Schilf, durch das ein Frösteln bebt.

Den Kelch verschliesst die Wasserblume wieder,
Starr und gedrängt in weiter Ferne reihn
Sich Pappeln auf in ungewissem Schein,
Leuchtkäfer irren zu den Büschen nieder.

Der Eulen lautlos finstre Schar erwacht,
Die Luft mit schwerem Fluge zu durchsteuern,
Der Äther füllt sich mit gedämpften Feuern,
Venus taucht bleich hervor: das ist die Nacht.


Paul Verlaine, 1844 - 1896




Photo copyright: Isabella Kramer


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An meine Mutter

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An meine Mutter

Ach, wär ich ein Vöglein,
ich wüßt, was ich tät:
Ich lernte mir Lieder
von morgens bis spät.
Dann setzt ich mich dort,
wo lieb Mütterlein wär,
und säng ihr die Lieder
der Reihe nach her.

Und wär ich ein Schäflein,
das hätt' ich im Sinn:
Ich gäb alle Wolle
dem Mütterlein hin.
Die spinnt dann die Wolle
und strickt sicherlich
zwei Dutzend Paar Strümpfe
für sich und für mich.

Und wär ich ein Fischlein,
ich wüßt, was da wär:
Ich tauchte zum Grunde
tief unten ins Meer,
holt Perlen und Muscheln.
Ihr glaubt, nur für mich?
Der Mutter die Perlen,
die Muscheln für mich.

Doch mancherlei möchte ich
denn doch wohl nicht sein:
Nicht Apfel, noch Kirschen,
nicht Wasser, noch Wein.
Denn äße man mich
oder tränke mich aus,
dann hätt meine Mutter
kein Kind mehr im Haus.

Robert Reinick, 1805 - 1852



Foto copyright: mit freundlicher Genehmigung des Urhebers 

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Der Esel

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Der Esel

Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr,
Der käute sich sein Bündel Heu
Gedankenvoll und still entzwei. –

Nun kommen da und bleiben stehn
Der naseweisen Buben zween,
Die auch sogleich, indem sie lachen,
Verhaßte Redensarten machen,

Womit man denn bezwecken wollte,
Daß sich der Esel ärgern sollte. –

Doch dieser hocherfahrne Greis
Beschrieb nur einen halben Kreis,
Verhielt sich stumm und zeigte itzt
Die Seite, wo der Wedel sitzt.


Wilhelm Busch, 1832 - 1908




Photo copyright: Isabella Kramer
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Die Unterhose

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Die Unterhose

Heilig ist die Unterhose,
wenn sie sich in Sonn und Wind,
frei von ihrem Alltagslose,
auf ihr wahres Selbst besinnt.

Fröhlich ledig der Blamage
steter Souterränität,
wirkt am Seil sie als Staffage,
wie ein Segel leicht gebläht.

Keinen Tropus ihr zum Ruhme
spart des Malers Kompetenz,
preist sie seine treuste Blume
Sommer, Winter, Herbst und Lenz.


Christian Morgenstern, 1871 - 1914




Foto copyright: Isabella Kramer

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Der Handschuh

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Der Handschuh

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen,
Und streckt die Glieder,
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend;
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier,
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wirds still,
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern die greulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottenderweis
Wendet sich Fräulein Kunigund:
»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,
Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehens die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,
Und verläßt sie zur selben Stunde.



Friedrich von Schiller, 1759 - 1805



Gemälde: "A Knight rode up" von John Bauer 1915


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Die Badewanne

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 Die Badewanne

Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer
Und ihre eine Seitenwand
Für Helgoländer Küstenland.

Die andre Seite - gab sie an -
Sei das Gebirge Hindustan
Und ihre große Rundung sei
Bestimmt die Delagoabai.

Von ihrem schmalen Ende vorn
Erklärte sie, es sei Kap Horn.
Den Kettenzug am Regulator
Hielt sie sogar für den Äquator.

Sie war - nicht wahr, das merken Sie? -
Sehr schwach in der Geographie.
Dies eingebildete Bassin,
Es wohnte im Quartier Latin.*


Joachim Ringelnatz




*Quartier Latin ist ein malerischer Stadtteil von Paris 


Foto copyright: Isabella Kramer
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Nachtsegen




Nachtsegen 

Herrlich ist die Nacht erblüht, 
Von jedem Blinkstern sprüht 
Ein Himmelstropfen – 

Die dunkelschwere Schweigestadt 
Schläft friedlich tagessatt, 
Unter Himmelstropfen – 

Die ganze Stadt ist überregnet, 
Vom Licht das alle Schläfer segnet, 
Diese Nacht.



Gerrit Engelke, 1890 - 1918, dt. Arbeiterdichter aus Hannover, gefördert von Richard Dehmel, gefallen im Ersten Weltkrieg

Quelle: »Rhythmus des neuen Europa«, Gedichte, verlegt bei Eugen Diederichs in Jena, 1929

photo: Dale Nibbe - unsplash 

Sommerwünsche



Ich möchte gern mich frei bewahren,
Verbergen vor der ganzen Welt,
Auf stillen Flüssen möcht' ich fahren,
Bedeckt vom schatt'gen Wolkenzelt.

Von Sommervögeln übergaukelt,
Der ird'schen Schwere mich entziehn,
Vom reinen Element geschaukelt,
Die schuldbefleckten Menschen fliehn.

Nur selten an das Ufer streifen,
Doch nie entsteigen meinem Kahn,
Nach einer Rosenknospe greifen,
Und wieder ziehn die feuchte Bahn.

Von ferne sehn, wie Herden weiden,
Wie Blumen wachsen immer neu,
Wie Winzerinnen Trauben schneiden,
Wie Schnitter mähn das duft'ge Heu.

Und nichts genießen, als die Helle
Des Lichts, das ewig lauter bleibt,
Und einen Trunk der frischen Welle,
Der nie das Blut geschwinder treibt.



August Graf von Platen Hallermund




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Ein Frosch ... zum Anderen

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Ein Frosch... zum Anderen 


Ein Frosch im Teiche sprach zum Andern:
" – Und ob wir bis zum Pole wandern,
Nein! so melodisch und voll Seele,
Wie Du, singt keine Philomele!" –

Lusttrunken rief das Fröschlein aus:
"Wem aber dank' ich den Applaus?
Brekex! Nur deinem Unterricht.
So klingt die Menschenflöte nicht.

Ich fühl' in meinem – Deinen Werth.
Du bist allein schon ein Concert;
Die ganze Teich-Akademie
Bewundert deine Melodie." –

Nicht anders loben lächerlich
Zwey Thoren in Journalen sich.

Friedrich Haug, 1761 - 1829




Gemälde copyright: Isabella Kramer 


Bitte beachten Sie das Urheberrecht: Copyright Texte, Fotos und Graphiken = Isabella Kramer, veredit - wenn nicht anders erwähnt. Auch für private Homepages dürfen diese Texte, Fotos und Graphiken nicht ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis verwendet werden! Wenn Sie meine Gedichte oder Bilder verwenden wollen, fragen sie mich bitte. 
Kontakt über email: vere_dit@yahoo.de

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Dorfkirche im Sommer

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Dorfkirche im Sommer

Schläfrig singt der Küster vor,
Schläfrig singt auch die Gemeinde,
Auf der Kanzel der Pastor
Betet still für seine Feinde.

Dann die Predigt, wunderbar,
Eine Predigt ohne Gleichen.
Die Baronin weint sogar
Im Gestühl, dem wappenreichen.

Amen, Segen, Thüren weit,
Orgelton und letzter Psalter.
Durch die Sommerherrlichkeit
Schwirren Schwalben, flattern Falter.



Detlev von Liliencron, 1844 - 1909




Foto copyright: Isabella Kramer

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Sommernacht

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Sommernacht

In dem tiefen, dunklen, weichen
Mutterschoß der Juninacht
Liegt der Sommer eingeschlummert
Und die Sternenhände streichen
Über seine Schläfen sacht.

Seine Schläfen glühn noch immer
Von des Tages Spiel und Tanz
Und vom Sonnenlichtgefunkel –
Sie erfüllen selbst das Dunkel
Mit geheimnisvollem Glanz.

Leis auf unsichtbaren Schwingen
Durch die tiefe Stille zieht
Nur des Schläfers heißer Atem
Und der Nachtigallen Singen,
Wie ein Mutterwiegenlied.



A. de Nora,1864 - 1936 - Pseudonym für Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter

Quelle: de Nora, Gedichte. Hochsommer. Neue Gedichte, Verlag von L. Staakmann, 1912



Foto copyright: Isabella Kramer
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