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Leanders Fest

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Heut, an Leanders Feste,
War alles, traun! aufs beste!
Denkt, fette Gänse drei;
Beliebte Hasen, zwei;
Ein Dutzend stumme Fische;
Und gar ein wildes Schwein.
"Das alles gab er?" Nein!
Die saßen nur bei Tische.


Karl Friedrich Kretschmann, 1738 - 1809








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Auf einem Berg aus Zuckerkant...

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Auf einem Berg aus Zuckerkant


Auf einem Berg aus Zuckerkant, 
unter einem blühenden Machandelbaum*, 
blinkt mein Pfefferkuchenhäuschen.
Seine Fensterchen sind aus Goldpapier, 
aus seinem Schornstein raucht Watte.
Im grünen Himmel, über mir,
rauscht die Weihnachtstanne.

In meinem See aus Staniol 
spiegeln sich alle ihre Engel,
 alle ihre Lichter!
Die kleinen Kinder stehn rum 
und staunen mich an.
Ich bin der Zwerg Turlitipu.
Mein dicker Bauch ist aus Traganth*, 
meine Beinchen Streichhölzer, 
meine listigen Äugelchen 
Korinthen.



Arno Holz, 1863-1929




*Machandelbaum - altes Wort für Wacholderbaum
*Traganth - ist eine sehr alte Masse aus Mehl, Wasser und Gummi, mit der in früheren Zeiten Christbaumschmuck hergestellt wurde.



Gemälde copyright: Isabella Kramer

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Dezember

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Dezember

Der schönste Monat doch im Jahr
Bleibt der Dezember, das ist klar.
Was gibt es, das uns mehr erfreut,
als die geliebte Weihnachtszeit?

Die Klingel tönt: es glänzt der Baum,
die Kinder stehen wie im Traum . . .
O schöne Nacht, o sel`ge Nacht,
die uns den heiligen Christ gebracht!




Georg Bötticher, 1849-1918






Photo copyright: Isabella Kramer




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Immer ein Lichtlein mehr

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Immer ein Lichtlein mehr


Immer ein Lichtlein mehr
im Kranz, den wir gewunden,
dass er leuchte uns so sehr
durch die dunklen Stunden.

Zwei und drei und dann vier!
Rund um den Kranz welch ein Schimmer,
und so leuchten auch wir,
und so leuchtet das Zimmer.

Und so leuchtet die Welt
langsam der Weihnacht entgegen.
Und der in Händen sie hält,
weiß um den Segen!



Matthias Claudius, 1740 - 1815



Foto copyright: Isabella Kramer


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Knecht Ruprecht

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Knecht Ruprecht

Ruprecht:

Habt guten Abend, alt und jung,
Bin allen wohl bekannt genug.

Von drauß' vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor;
Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann,
Da rief's mich mit heller Stimme an:

"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt' und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!
So geh denn rasch von Haus zu Haus,
Such mir die guten Kinder aus,
Damit ich ihrer mag gedenken,
Mit schönen Sachen sie mag beschenken."

Ich sprach: "O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat."
- "Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern
Fressen fromme Kinder gern."
- "Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
Christkindlein sprach: "So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"

Von drauß' vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich's hierinnen find!
Sind's gute Kind, sind's böse Kind?

Vater:

Die Kinder sind wohl alle gut,
Haben nur mitunter was trotzigen Mut.

Ruprecht:

Ei, ei, für trotz'gen Kindermut
Ist meine lange Rute gut!
Heißt es bei euch denn nicht mitunter:
Nieder den Kopf und die Hosen herunter?

Vater:

Wie einer sündigt, so wird er gestraft;
Die Kinder sind schon alle brav.

Ruprecht:

Stecken sie die Nas' auch tüchtig ins Buch,
Lesen und schreiben und rechnen genug?

Vater:

Sie lernen mit ihrer kleinen Kraft,
Wir hoffen zu Gott, daß es endlich schafft.

Ruprecht:

Beten sie denn nach altem Brauch
Im Bett ihr Abendsprüchlein auch?

Vater:

Neulich hört ich im Kämmerlein
Eine kleine Stimme sprechen allein;
Und als ich an die Tür getreten,
Für alle Lieben hört ich sie beten.

Ruprecht:

So nehmet denn Christkindleins Gruß,
Kuchen und Äpfel, Äpfel und Nuß;
Probiert einmal von seinen Gaben,
Morgen sollt ihr was Besseres haben.
Dann kommt mit seinem Kerzenschein
Christkindlein selber zu euch herein.
Heut hält es noch am Himmel Wacht;
Nun schlafet sanft, habt gute Nacht.

Theodor Storm, 1817 - 1888





Gemälde copyright: Isabella Kramer 


Bitte beachten Sie das Urheberrecht: Copyright Texte, Fotos und Graphiken = Isabella Kramer, veredit - wenn nicht anders erwähnt. Auch für private Homepages dürfen diese Texte, Fotos und Graphiken nicht ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis verwendet werden! Wenn Sie meine Gedichte oder Bilder verwenden wollen, fragen sie mich bitte. 
Kontakt über email: vere_dit@yahoo.de

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Heidenacht

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Heidenacht

Wenn trüb das verlöschende letzte Rot
Herschimmert über die Heide,
Wenn sie liegt so still, so schwarz und tot,
so weit du nur schauest, die Heide,
Wenn der Mond steigt auf und mit bleichem Schein,
Erhellt den granitnen Hünenstein,
Und der Nachtwind seufzet und flüstert darein
Auf der Heide, der stillen Heide. –

Das ist die Zeit, dann mußt du gehn
Ganz einsam über die Heide,
Mußt achten still auf des Nachtwinds Wehn
Und des Mondes Licht auf der Heide:
Was nie du vernahmst durch Menschenmund,
Uraltes Geheimnis, es wird dir kund,
Es durchschauert dich tief in der Seele Grund
Auf der Heide, der stillen Heide.



Hermann Ludwig Allmers, 1821 - 1902




Photo copyright: Isabella Kramer


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Nachtlied aus der Ferne

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Nachtlied aus der Ferne

Ach, ich denk, ich hab dich lieb, denke dich mit Bauch und Armen,
denk mir Bilder aus dem Kopf, denk mit Mund und Magen.

Ach, ich denk mich hin zu dir, denk mit Fuß und Waden,
denk mir Zeichen aus dem Zeh, denk beim Fingerschlagen.

Ach, ich denk, du hättst mich lieb. Ach, hier ists so leer.
Ach, ich wünsch dir guten Schlaf. Ach, und so viel mehr.





Mit freundlicher Genehmigung von copyright (c) 18.11.2018, bernd pol
es war eines seiner letzten Gedichte, denn dieser wunderbare Dichter und sehr geschätzte Freund ist uns am 12.Januar 2019 vorausgegangen. In unseren Herzen und in seinen großartigen Versen wird er immer bei uns sein.





Photo copyright: Isabella Kramer

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Weihnachtsgebäck

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Weihnachtsgebäck



Weinbeer, Mandeln, Sultaninen,
süße Feigen und Rosinen,
welsche Nüsse - fein geschnitten,
Zitronat auch - muß ich bitten! -

Birnenschnitze doch zumeist
und dazu den Kirschengeist;
wohl geknetet mit der Hand
alles tüchtig durcheinander
und darüber Teig gewoben -
wirklich, das muß ich mir loben!

Solch ein Brot kann's nur im Leben
jedesmal zur Weihnacht geben!
Eier, Zucker und viel Butter
schaumig rührt die liebe Mutter;
kommt am Schluß das Mehl daran,
fangen wir zu helfen an.

In den Teig so glatt und fein
stechen unsre Formen ein:
Herzen, Vögel, Kleeblatt, Kreise -
braune Plätzchen, gelbe, weiße
sieht man bald - welch ein Vergnügen -
auf dem Blech im Ofen liegen.
Knusprig kommen sie heraus,
duften durch das ganze Haus.

Solchen Duft kann's nur im Leben
jedesmal zur Weihnacht geben!





Isabella Braun, 1815-1886


Photo copyright: Isabella Kramer


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Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt

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Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt

Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt,
wo nach stummen Gesetzen
sich die Gassen mit Gassen vernetzen
und sich Plätze fügen zu Plätzen,
und die bald an die tausend Türme hat.

Aber die Häuser der schwarzen Stadt, –
du weißt nicht, wer darin siedelt.

In ihrer Gärten schweigendem Glanz
reihen sich reigende Träume zum Tanz, –
und du weißt nicht, wer ihnen fiedelt...



Rainer Maria Rilke, 1875 - 1926





Photo copyright: Isabella Kramer
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Es sitzen Möpse

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Es sitzen Möpse gern auf Mauerecken,
die sich ins Straßenbild hinaus erstrecken,

um von sotanen* vorteilhaften Posten
die bunte Welt gemächlich auszukosten.

O Mensch, lieg vor dir selber auf der Lauer,
sonst bist du auch ein Mops nur auf der Lauer.



Christian Morgenstern 



*sotanen ist ein veraltetes Wort für solch, -en, so beschaffen

Photo copyright: Isabella Kramer

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Die Grille und die Ameise

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Die Grille und die Ameise

Die Grille, die den Sommer lang
zirpt’ und sang,
litt, da nun der Winter droht’,
harte Zeit und bittre Not:
Nicht das kleinste Würmchen nur,
und von Fliegen keine Spur!
Und vor Hunger weinend leise,
schlich sie zur Nachbarin Ameise,
fleht' sie an, in ihrer Not
ihr zu leihn ein Stückchen Brot,
bis der Sommer wiederkehre.
"Hör",sprach sie, "auf Grillenehre,
vor der Ernte noch bezahl'
Zins ich dir und Kapital."
Die Ameise, die, wie manche lieben
Leute, das Verleihen haßt',
fragt' die Borgerin: "Was hast
du im Sommer denn betrieben?"
"Tag und Nacht hab' ich ergötzt
durch mein Singen alle Leut'."
"Durch dein Singen? Sehr erfreut!
Weißt du was? Dann – tanze jetzt!"


Aesop (um 550 v. Chr.), auch Aisopos, griechischer Sklave auf Samos. Die ihm zugeschriebenen Fabeln wurden wahrscheinlich mündlich überliefert und erst später aufgeschrieben




Photo copyright: Isabella Kramer
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Unter Fischen

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Unter Fischen


Schau, da kommen sie geschossen,
pfeilschnell durch das weite Meer!
Rudern eifrig mit den Flossen,
schwimmen dicht an dicht umher.

Ändern blitzgeschwind die Richtung
(auf Kommando? Doch von wem!?)
bei der kleinsten Feindessichtung - 
Anführer sind nicht zu sehn. 

Von der Flosse bis zum Kopf
gleicht ein Fischchen hier dem andern.
Drum ist keins ein eitler Tropf.
Sieh sie mit der Strömung wandern!

Doch – Moment! - hast du verglichen?
Sind sie wirklich alle gleich?
Einer hat sich eingeschlichen
mitten in des Schwarmes Reich!

Leuchtet fröhlich rot hervor,
ist nun nicht mehr so allein.
Singt gern mit im Blubber-Chor.
Will einer von vielen sein!



mit freundlicher Genehmigung von ©die amelie/claudia neubacher




Photo copyright: Isabella Kramer
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Hab' Dank du lieber Wind!

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Hab Dank, du lieber Wind

Ich bin in den Garten gegangen
und mag nicht mehr hinaus.
Die goldigen Äpfel prangen
mit ihren roten Wangen
und laden ein zum Schmaus.

Wie ist es anzufangen?
Sie hängen mir zu hoch und zu fern.
Ich sehe sie hangen und prangen
und kann sie nicht erlangen
und hätte doch einen gern!

Da kommt der Wind aus dem Westen
und schüttelt den Baum geschwind
und weht herab von den Ästen
den allerschönsten und besten -
hab Dank, du lieber Wind!


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798 - 1874


Photo copyright: Isabella Kramer




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Symphonie in Gelb

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Symphonie in Gelb


Über die Brücke kriecht ein Omnibus
Wie ein gelber Schmetterling,
Und hier und dort geht ein Passant,
Wie eine kleine ruhelose Mücke.

Große Kähne, voll mit gelbem Heu,
Sind am schattigen Kai vertäut,
Und wie ein gelber Seidenschal
Hängt der dichte Nebel vor dem Uferdamm.

Die gelben Blätter beginnen zu verblassen
Und taumeln von den Temple* Ulmen,
Und die blassgrüne Themse zu meinen Füßen
Liegt wie ein Zepter aus welliger Jade.



Oscar Wilde, 1854 - 1900


* Stadtbezirk in London, zwischen Fleet Street und der Themse gelegen


Photo copyright: Isabella Kramer
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Die Mühlen

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Die vielen Mühlen gehen und treiben schwer.
Das Wasser fällt über die Räder her
Und die moosigen Speichen knattern im Wehr.
Und die Müller sitzen tagein, tagaus
Wie Maden weiß in dem Mühlenhaus.
Und schauen oben zum Dache hinaus.
Aber die hohen Pappeln stehn ohne Wind
Vor einer Sonne herbstlich und blind,
Die matt in die Himmel geschnitten sind.




Georg Heym, 1887-1912





Photo copyright: Isabella Kramer
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Der Genügsame

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Der Genügsamste

Vier verwegene Gesellen
Stiegen einst hinab zur Höllen.
Vor dem höllischen Palast
Machten sie ein Weilchen Rast.

Alle schwitzten sie erklecklich,
Denn die Hitze war erschrecklich,
Und der Höllen-Reaumür
Stand auf Achtzehnhundertvier.

"Na, ick danke", rief der Preuße,
"So ne jottverdammte Reise!
Hier kann eener ja verkochen –
Ick bin schonstens Haut un Knochen!"

"Gibts denn nöt a Bier, zum Geier,
Himmelsackra!" schrie der Bayer,
"Jesses, un bei dera Hitzen –
Na, do mag der Deifel sitzen!"

"Chrischtli!" jammerte der Schwabe,
"Läg i liewer noch begrabe!
Schwäbli, jetzscht gehts iewers Köpfli –
I zerschwitz in lauta Tröpfli!"

"Heernse", sprach der Sachse:"schwiele
Find ichs nich – nich grade kiehle.
's Örtchen liegt e bißchen siedlich,
Awer sonst nich ungemiedlich."



Georg Bötticher, 1849 - 1918




Photo copyright: Isabella Kramer

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Ich bin zu Hause

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Ich bin zu Hause

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Dort wo die Kinder schläfern, heiß vom Hetzen,
dort wo die Alten sich zu Abend setzen,
und Herde glühn und hellen ihren Raum.

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Dort wo die Abendglocken klar verlangen
und Mädchen, vom Verhallenden befangen,
sich müde stützen auf den Brunnensaum.

Und eine Linde ist mein Lieblingsbaum;
und alle Sommer, welche in ihr schweigen,
rühren sich wieder in den tausend Zweigen
und wachen wieder zwischen Tag und Traum.

Rainer Maria Rilke







Photo copyright: Isabella Kramer

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Des Narren Regenlied

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Des Regen Narrenlied

Regenöde, regenöde
Himmel, Land und See;
Alle Lust ist Last geworden,
Und das Herz tut weh.

Graugespinstig hält ein Nebel
Alles Sein in Haft,
Weher Mut weint in die Weiten,
Krank ist jede Kraft.

Die Prinzessin sitzt im Turme;
Ihre Harfe klingt,
Und ich hör, wie ihre Seele
Müde Sehnsucht singt.

Regenöde, regenöde
Himmel, Land und See;
Alle Lust ist Last geworden,
Und das Herz tut weh.




Otto Julius Bierbaum, 1865-1910



Photo copyright: Isabella Kramer
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Das Wörtlein




Das Wörtlein

Kürzlich kam ein Wort zu mir,
staubig wie ein Wedel,
wirr das Haar, das Auge stier,
doch von Bildung edel.

Als ich, wie es hieße, frug,
sprach es leise: »Herzlich«.
Und aus seinem Munde schlug
eine Lache Schmerzlich.

Wertlos ward ich ganz und gar,
rief's, ein Spiel der Spiele,
Modewort mit Haut und Haar,
Kaviar für zu viele.

Doch ich wusch's und bot ihm Wein,
gab ihm wieder Würde,
und belud ein Brieflein fein
mit der leichten Bürde.

Schlafend hat's die ganze Nacht
weit weg reisen müssen.
Als es morgens aufgewacht,
kam ein Mund – es – küssen.


Christian Morgenstern, 1871 - 1914




Gemälde: "Ein Herz für Aquarell" ©Isabella Kramer

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Ein Rudel kleiner Wolken

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Ein Rudel kleiner Wolken

Ein Rudel kleiner Wolken
Schwimmt durch die Abendhelle,
Wie graue Fische im Meere
Durch eine blendende Welle.

Und Mückenscharen spielen
Im späten Winde rege,
Sie tanzen zierliche Tänze
Am warmen staubigen Wege.

Und zwischen Wolken und Erde,
Über die Bäume, die schlanken
Zieh'n auf der Straße zum Monde
Die uralten Liebesgedanken.



Max Dauthendey, 1868 - 1918 





Photo copyright: Isabella Kramer
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Lebensfreudigkeit








Lebensfreudigkeit

Mir ist, als wäre jede Beere
Ein Born der Lebensfreudigkeit,
Als gäbe sie die große Lehre:
Gedulde dich, es kommt die Zeit!

Wie durch Millionen Sonnenstrahlen,
Die uns nur tagelang gestreift,
Mit Saft sich füllten unsere Schalen,
Bis wir zur süßen Frucht gereift.

So wird trotz allem welken Laube
Durch freier Seelen Sonnenglut
Der Menschheit volle Wundertraube
Erst in Erkenntnis reif und gut.




Richard Zoozmann, 1863 - 1934 


Photo copyright: Isabella Kramer

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Die Esel und die Nachtigallen

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Die Esel und die Nachtigallen

Es gibt der Esel, welche wollen,
Daß Nachtigallen hin und her
Des Müllers Säcke tragen sollen.
Ob recht, fällt mir zu sagen schwer.
Das weiß ich: Nachtigallen wollen
Nicht, daß die Esel singen sollen.


Gottfried August Bürger, 1747 - 1794




Photo copyright: Isabella Kramer
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Erinnern

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Erinnern

wächst auf diesen
Wildblumenwiesen
und fast vergessene Kindheitsbilder
folgen jenen fernen Bergen

jetzt keine Angst
der nächste Vers handelt
ganz sicher nicht von Zwergen
 
doch in den sprudelnd
kristallklaren Bächen
die murmelnd säumen
somm‘rig braune Wege

lässt‘s sich mit bloßen Füßen
so herrlich plantschen
und glitzernde Fontänen
spritzen auf dicht an dicht

in rosa, blau und gelb
getupfte Flächen,
dass ganze Falterschwärme stoben
gleich bunten Elfenträumen

und unter den Kastanienbäumen
da liegen wir nun wieder
staunen den Wolkenriesen nach
die fliegend Formen wandeln

vom Drachen bis zu
zwei verschlungenen Herzen  -
das nehmen wir als Zeichen

Erinnern wächst auf diesen
Wildblumenwiesen






Bitte beachten Sie das Urheberrecht: Copyright Texte, Fotos und Graphiken = Isabella Kramer, veredit - wenn nicht anders erwähnt. Auch für private Homepages dürfen diese Texte, Fotos und Graphiken nicht ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis verwendet werden! Wenn Sie meine Gedichte oder Bilder verwenden wollen, fragen sie mich bitte. 

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Photo copyright: Isabella Kramer


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Weltanschauung

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Weltanschauung

Der Sommer färbt die Äpfel rot,
die Trauben und die Beeren.
Der Mohn in Farbenflammen loht,
sein Leuchten zu entzünden droht
die strahlend gelben Ähren.

Nur Farbenpracht, wohin man schaut,
wohin man hört ein Klingen.
Der weite Sommerhimmel blaut,
in lichten Höhen jubelnd laut
die kleinen Lerchen singen.

Der Maulwurf in der Erde gräbt,
weiß nichts von diesen Dingen.
Er hat das Schöne nie erlebt.
Der Finsterling nach unten strebt
und wühlt nach Engerlingen.

Es findet jeder, wie er kann,
auf seine Art Erbauung.
Schaut man die Welt von oben an –
von unten – so hat jedermann
die beste Weltanschauung.


Fred Endrikat, 1890 - 1942





Photo copyright: Isabella Kramer
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Der Mond

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Der Mond

Guten Abend, du Rundgesicht,
Hüter der weidenden Sterne,
Nächtlicher Langfinger Arbeitslicht,
Heimliche liebe Laterne!

Hast mir so oft zum Stelldichein
Still und verschwiegen geleuchtet,
Sahest mit himmlischer Milde drein,
Wenn ich dir reuig gebeichtet.

Habe an dir in Gram und Leid
Stets einen Tröster gefunden,
Oft auch bist du zur rechten Zeit
Hinter den Wolken verschwunden.

Gälte ich etwas bei dem, der thront
Über den rollenden Welten,
Wollt' ich dir gerne, du treuer Mond,
All' deine Dienste vergelten.

Über den Mond ein Lächeln ging,
Leise hat's mir geklungen:
Willst du mir danken, o Dichterling,
Lasse mich unbesungen.




Rudolf Baumbach, 1840-1905






Photo copyright: Isabella Kramer

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Ohne Feindschaft

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Ohne Feindschaft

Meinem Hunde rief ich zu,
Höre: gut sei und gescheit,
Kätzchen ist ein Tier wie du,
Also tue ihm kein Leid.

Und dem Kätzchen rief ich zu,
Höre: gut sei und gescheit,
Mäuschen ist ein Tier wie du,
Also tue ihm kein Leid.

Und so leben wir im Haus
Friedlich teilend manch Gericht,
Ich, mein Hund, und Katz' und Maus,
Nur die Menschen lernen's nicht!

Finken auch dem Fenster nahn,
Speisen mit in Sang und Sing,
Nachbarn freilich, die es sahn,
Nennen mich den Sonderling.



Emil Claar, 1842 - 1930




Gemälde copyright: Isabella Kramer


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Wasserklanglieder



Wasserklanglieder

Ohne Unterlass
plätschern die Tropfen vom Dach
Wasserklanglieder

Wasserklanglieder
tönen - Singsang monoton
Auftakt und Ende

Auftakt und Ende
nur dieses eine: Plitsch - Platsch
zögernd und mutig

Zögernd und mutig:
Lustvoll saugende Phrase -
mit heftigem Tusch

Mit heftigem Tusch
beginnt der Sturm den Wirbel
zerreißt das Motiv

Zerreißt das Motiv
trommelt mit krachendem Schlag
schnarrt in den Balken

Schnarrt in den Balken,
säuselt in Winkeln und Dach
in Variation

In Variation
mischen sich Regen und Sturm
Ganz ohne Pausen

Ganz ohne Pausen
Singsang und Trommeln und Tusch
Wasserklanglieder

Wasserklanglieder
plätschern die Tropfen vom Dach
ohne Unterlass






mit freundlicher Genehmigung von© Gabriele Brunsch, 2008


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Die Nähe

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Die Nähe


Die Nähe ging verträumt umher ... 
Sie kam nie zu den Dingen selber. 
Ihr Antlitz wurde gelb und gelber, 
und ihren Leib ergriff die Zehr.

Doch eines Nachts, derweil sie schlief, 
da trat wer an ihr Bette hin 
und sprach: »Steh auf, mein Kind, ich bin 
der kategorische Komparativ!

Ich werde dich zum Näher steigern, 
ja, wenn du willst, zur Näherin!« – 
Die Nähe, ohne sich zu weigern, 
sie nahm auch dies als Schicksal hin.

Als Näherin jedoch vergaß 
sie leider völlig, was sie wollte, 
und nähte Putz und hieß Frau Nolte 
und hielt all Obiges für Spaß.


Christian Morgenstern




Gemälde: Die Näherin - 1923  von Dorothea Maetzel-Johannsen, 1886 - 1930 www.wikimedia.commons



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Im Gras



Es ist das Glück ein flüchtig Ding,
Und war's zu allen Tagen;
Und jagtest du um der Erde Ring,
Du möchtest es nicht erjagen.

Leg' dich lieber ins Gras voll Duft
Und singe deine Lieder;
Plötzlich vielleicht aus blauer Luft
Fällt es auf dich hernieder.

Aber dann pack' es und halt' es fest
Und plaudre nicht viel dazwischen;
Wenn du zu lang' es warten läßt,
Möcht' es dir wieder entwischen.

Emanuel Geibel



Photo copyright: Isabella Kramer

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Tertius Gaudens (Ein Stück Entwickelungsgeschichte)

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Vor vielen Jahren sozusagen
hat folgendes sich zugetragen.

Drei Säue taten um ein Huhn
in einem Korb zusammen ruhn.

Das Huhn, wie manchmal Hühner sind
(im Sprichwort mindestens), war blind.

Die Säue waren schlechtweg Säue
von völliger Naturgetreue.

Dies Dreieck nahm ein Mann aufs Ziel,
vielleicht wars auch ein Weib, gleichviel.

Und trat heran und gab den Schweinen –
ihr werdet: Runkelrüben meinen.

O nein, er warf – (er oder sie)
warf – Perlen vor das schnöde Vieh.

Die Säue schlossen träg die Lider...
Das Huhn indessen, still und bieder,

erhob sich ohne Hast und Zorn
und fraß die Perlen auf wie Korn.

Der Mensch entwich und sann auf Rache;
doch Gott im Himmel wog die Sache

der drei Parteien und entschied,
daß dieses Huhn im nächsten Glied

die Perlen außen tragen solle.
Auf welche Art die Erdenscholle –

das Perlschwein -? Nein! Das war verspielt!
das Perl- Huhn zum Geschenk erhielt.


Christian Morgenstern, 1871 - 1914




Gemälde copyright: Isabella Kramer
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Die Roggenmuhme

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Die Roggenmuhme

Das Mägdlein spielt auf dem grünen Rain, 
die bunten Blumen locken. 
»Nicht sieht mich die Mutter« – Ins Korn hinein 
schleicht sacht es auf weichen Socken.

»Die roten und blauen Blumen wie schön! 
Die will ich zum Kranz mir winden; 
doch weiter hinein ins Feld muß ich gehn, 
dort werd' ich die schönsten finden.«

Und weiter eilt es. Gefüllt ist die Hand, 
da will es zurück sich wenden. 
Es läuft und läuft und steht wie gebannt, 
das Korn will nimmer enden.

»Hinaus zum Rain, zum Sonnenlicht! 
Wo blieb die Mutter, die süße?« 
Die Halme schlagen ihm ins Gesicht, 
die Winde umschlingt die Füße.

Und horch, da rauscht's unheimlich bang, 
die Ähren wallen und wogen. 
»Da kommt – ach, daß ich der Mutter entsprang – 
die Roggenmuhme gezogen!«

Sie kommt heran auf Windesfahrt, 
die roten Augen blitzen, 
gelb ist die Wange, langstachlicht ihr Bart, 
die Haare sind Ährenspitzen.

»Wie kommst du her in mein Revier 
und gehst auf verbotenen Pfaden? 
Was raubst du meine Kinder mir, 
Kornblumen und Mohn und Raden?

Weh dir!« Sie streckt die Hand nach ihm aus, 
es fühlt die stechenden Grannen. 
»Nimm hin deine Blumen, und laß mich nach Haus!« 
Und bebend stürzt es von dannen.

Fort, fort zur Mutter! Das Korn nimmt kein End', 
vergebens will es entwischen, 
die Roggenmuhme dicht hinter ihm rennt, 
die Ähren höhnen und zischen.

Schon fühlt es, wie ihr Arm es umschlingt. 
»Erbarme dich mein, erbarme!« 
Dort ist der Rain. »O Mutter!« – Da sinkt 
das Kind ihr tot in die Arme.



Jacob Loewenberg




Quelle: 
„Balladenbuch, 1.Band Neuere Dichter“ hrsg. von Otto Ernst, Dr. J. Loewenberg, Dr. Ernst Schultze 
und Börries Freiherr v. Münchhausen; erschienen 1916  (1. Auflage 1904) in Hamburg-Grossborstel, Verlag der Deutschen Dichter-Gedaechtnis-Stiftung

Photo copyright: Isabella Kramer
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